Fliegende Eier, Untertürkheim in Aufruhr und ein Kompromiss im Sängersaal: das ist die Bilanz des Burschenschaftstages.

Stuttgart - Einen Tag früher als geplant endete am Samstag das Sondertreffen der Deutschen Burschenschaft (DB), ein Dachverband von 115 Burschenschaften, in der Untertürkheimer Sängerhalle. Liberale und Konservative einigten sich auf eine Kompromisslinie. „Eine Spaltung der Deutschen Burschenschaft ist erst einmal vom Tisch“, sagte der Pressereferent Walter Tributsch, der der Wiener Teutonia und damit dem ultrakonservativen Lager angehört. Man habe mit „viel Herzblut“ aber in „sehr harmonischer Atmosphäre“ diskutiert, sagte Tributsch. Ein gemeinsamer Antrag der Burschenschaften Ghibellinia Stuttgart und Rheinfranken zu Marburg habe eine überwältigende Zustimmung erhalten: Es sei künftig unvereinbar, gleichzeitig Mitglied einer Burschenschaft und einer Organisation zu sein, die nationalsozialistische Ziele verfolge.

 

Die Bilanz von Michael Schmidt von der liberalen Initiative Burschenschaftliche Zukunft (IBZ), Mitglied bei der Stuttgart Hilaritas, fällt weniger euphorisch aus. „Wenn man unter einer Spaltung die Aufteilung in zwei gleich große Hälften verstehen, kommt es sicher nicht dazu. Aber eine Aufteilung im Verhältnis 80 zu 20 ist realistisch“, sagt Schmidt. Er erwartet, dass ein bis zwei Dutzend „Liberale“ nun aus der DB austreten. Zwar seien die bislang an der Deutschstämmigkeit orientierten Aufnahmeregelungen gelockert worden, sagte Schmidt. Die sehr konservative Ausrichtung des Verbandes habe sich aber nicht verändert. So verhinderte die Mehrheit des Plenums den Wunsch der Liberalen, dass der Dachverband künftig einzelne Burschenschafter direkt bestrafen kann, die das Ansehen des Verbandes beschädigen. Außerdem scheiterten die liberaleren Burschenschaften damit, die Mitgliedschaft in verfassungsfeindliche Vereinigungen als unvereinbar mit dem Wirken in einer Burschenschaft anzusehen.

Viele fürchteten Krawalle

Die Bürger von Untertürkheim empfanden den Burschenschaftstag als eher bedrohliches Ereignis, viele fürchteten Krawalle. Alles sei „voller Polizei“ stellten Anwohner am Samstagmorgen fest, einige schlossen die Fensterläden im ersten Stock. Ein Mann erzählte einem Polizisten, er habe Frau und Kind auf einen Ausflug geschickt, und erledige die Einkäufe vor 12 Uhr – der angekündigten Startzeit der Demo. Gar so wild ist es nicht geworden, als gut 100 Demonstranten aus dem linken Spektrum vom Bahnhof gen Neckarufer zogen, um gegen Rassismus und Intoleranz zu protestieren. Rund 200 Polizeibeamte verhinderten, dass sie zum Versammlungsort vordringen konnten.

Eier, Farbbeutel und Batterien flogen auf die Polizei

Nach der Auftaktkundgebung in der Nähe des Bahnhofs zog die Gruppe in Richtung Sängerhalle, wich dann in die Lindenschulstraße aus wo sie vergeblich versuchten, die Kette der Polizei zu durchbrechen. Am frühen Nachmittag standen sich die Demonstranten und die Polizei lange gegenüber, bis gegen 14.30 Uhr aus der Menge heraus Eier, Farbbeutel und Batterien auf die Beamten, Fahrzeuge und Pferde flogen. Die Versammlung wurde daraufhin von ihrer Leiterin aufgelöst. Ein Teil der Demonstranten zog weiter. Die Polizei drängte sie auf eine Grünfläche ab und umstellte eine etwa 30-köpfige Gruppe. Erst gegen 16 Uhr verließen die letzen den Platz. Vier Personen wurden festgenommen: ein 20-jähriger Eierwerfer, ein 18-Jähriger, der einen Beutel voller Knallkörper dabei hatte, und eine 29-jährige Frau, die Beamte beleidigt hatte. Ein Mann wurde verhaftet, weil er seine Personalien nicht preisgeben wollte.

Gegen 16 Uhr zogen die letzten Demonstranten ab – gut acht Stunden, nachdem die Polizei begonnen hatte, das Gelände rund um die Sängerhalle zu sichern.Ein letztes Mal begehrten die Demonstranten am späten Nachmittag auf. Etwa 20 Personen forderten vor dem Polizeipräsidium die Freilassung der Festgenommenen. Schon in der Nacht zum Samstag hatte es vor einem Verbindungshaus an der Haußmannstraße einen Vorfall gegeben: drei Männer und eine Frau hatten einen 25-jährigen Mann mit Gewalt festhalten wollen, rutschten dann aber ab und flüchteten.Richtung Jugendherberge.