Nach dem tragischen Unfall in Münchberg auf der A 9 untersuchen die Ermittler, wie es dazu kommen konnte. Zugleich entbrennt eine Debatte über die rechtlichen und politischen Konsequenzen. Auch in Berlin.

Wissen/Gesundheit: Werner Ludwig (lud)

Münchheim - Während Angehörige der Unfallopfer von Notfallseelsorgern betreut werden und immer noch Verletzte in Lebensgefahr schweben, läuft die Suche nach den Ursachen des Busunglücks auf der A 9 in Bayern auf Hochtouren. Die Detektivarbeit der Gutachter wird dadurch erschwert, dass der Bus völlig ausgebrannt ist. Viele Bauteile seien nach einem Brand nicht mehr vorhanden oder so stark beschädigt, dass sie keine Informationen mehr liefern können, heißt es beim Prüfkonzern Dekra. So ließen sich Fehlfunktionen der Elektronik oft kaum noch aufspüren – im Gegensatz zu gravierenden Mängeln an Bremsanlage oder Lenkung.

 

Bei dem Unfall auf der A 9 haben Sachverständige bisher keine Hinweise darauf gefunden, dass der Bus schon vor dem Aufprall auf den Sattelschlepper gebrannt haben könnte. Darüber hatten zuvor einige Experten spekuliert. „Vieles spricht dafür, dass bei dem Bus erst aufgrund der Kollision mit dem Anhänger Feuer ausgebrochen ist“, heißt es nun. Allerdings bleibt es rätselhaft, wie der erst drei Jahre alte Bus in so kurzer Zeit komplett ausbrennen konnte. In diesem Zusammenhang forderte etwa Siegfried Brockmann von der Unfallforschung der Versicherer, im Innenraum von Bussen keine leicht brennbaren Materialien zu verbauen. Vorbild könnten die strengeren Vorschriften der Bahn für Zugeinrichtungen sein.

Bis zu einem endgültigen Gutachten vergehen Monate oder gar Jahre

Denkbar sei auch, dass Diesel aus dem Tank hinter der Vorderachse ausgelaufen ist und zur schnellen Ausbreitung des Feuers beigetragen hat, meint Christian Weuthen von der Brandursachenermittlung Klingenberg in Bochum. Bis zu einem endgültigen Gutachten könnten Monate oder gar Jahre vergehen, sagt der Experte. Nach dem Brand in einem Bus auf der A 2 bei Hannover im November 2008, bei dem 20 Menschen starben, stand erst nach neun Monaten Ermittlungsarbeit fest, dass ein Kabelbrand in der Toilette die Ursache gewesen war.

Im aktuellen Fall ermittelt die Polizei auch in Richtung des 55-jährigen Busfahrers, der bei dem Unfall ebenfalls getötet wurde. Bei seinem Arbeitgeber wurden Unterlagen über ihn und seinen mitfahrenden Kollegen sichergestellt, der den Unfall überlebte. Von technischem Versagen als Ursache war bei der Polizei zunächst nicht die Rede. Demnach könnte der Busfahrer den Lkw am Stauende durch Unaufmerksamkeit oder Müdigkeit übersehen und zu spät oder gar nicht gebremst haben.

Um solche Kollisionen zu verhindern, sind für neu zugelassene Lkw und Busse seit November 2015 elektronische Notbremsassistenten vorgeschrieben. Sie überwachen den vorausfahrenden Verkehr mit Radar und Kameras und warnen bei einer drohenden Kollision zunächst den Fahrer – etwa durch ein akustisches Signal –, bevor sie selbstständig eine Notbremsung einleiten.

Der Fahrer kann die elektronischen Assistenten deaktivieren

Allerdings verlangt das Gesetz bislang nicht, dass die Assistenten die Fahrzeuge komplett zum Stillstand bringen. Sie müssen nur die Aufprallgeschwindigkeit erheblich verringern. Technisch ist deutlich mehr möglich. Systeme wie Active Brake Assist 4 von Daimler verhindern unter idealen Bedingungen nicht nur Auffahrunfälle, sie sollen auch automatisch Fußgänger und Radfahrer schützen. Rund drei Viertel der neuen Busse würden mit Bremsassistenten ausgerüstet, die über die gesetzlichen Anforderungen hinausgingen, sagt ein Daimler-Sprecher. Der Aufpreis liege gerade mal bei 700 Euro – bei einem Fahrzeugpreis von rund 300 000 Euro. Eine Nachrüstung älterer Busse und Lastwagen halten Experten dagegen nicht für realistisch.

Ein weiteres Problem ist, dass der Fahrer die elektronischen Assistenten deaktivieren kann. Das ermöglicht etwa engere Abstände bei Kolonnenfahrten. Baden-Württembergs Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) plädiert deshalb für eine Regelung, nach der die Systeme nicht mehr abgeschaltet werden können oder das Abschalten bestraft wird.

Überlebende Unfallopfer kehren zurück nach Sachsen

Am Dienstag sind die ersten der rund zwei Dutzend Verletzten aus Sachsen aus Kliniken in Oberfranken entlassen worden. Sieben Leichtverletzte reisten schon am Montag heim, zumeist mit Hilfe von Angehörigen. Noch am Dienstag sollten sechs weitere Personen heim fahren, für die mit dem Deutschen Roten Kreuz ein Rücktransport organisiert worden ist. Auch Ehrenamtliche kümmern sich dabei die Verunglückten. Bei der Unterrichtung der Angehörigen der 18 Todesopfer wurde die sächsische Polizei von Notfallseelsorgern unterstützt. Bis auf vier Reisende aus Brandenburg stammten die meisten Businsassen aus Sachsen.