Beleidigungen und Tötungsfantasien: mit seinem provokanten neuen Lied bekommt der Gangster-Rapper Bushido, genau das was er will: Aufmerksamkeit.

Stuttgart - Der Weg des Kriegers – japanisch Bushido – ist gesäumt mit Tugenden wie Mut, Ehre und Höflichkeit. Warum der 34-jährige Anis Ferchichi sich ausgerechnet nach dem japanischen Ehrenkodex für Samurai benannt hat, erscheint in der aktuellen Empörung, die sein neues Lied „Stress ohne Grund“ ausgelöst hat, fragwürdig. Der Song strotzt vor Tötungs- und Gewaltfantasien, im Video inszeniert er sich zusammen mit seinem Rap-Kollegen Shindy als harter Kerl, der jemanden im Kofferraum einer dicken Karre entführt, mit Benzin übergießt und eine brennende Zigarette darauf wirft.

 

Im Text beleidigt und bedroht Bushido mehrere Politiker. Er reimt den Namen des Regierenden Bürgermeisters von Berlin, Klaus Wowereit (SPD), auf „vogelfrei“, fordert den Tod des FDP-Integrationsexperten Serkan Tören und will auf Claudia Roth (Grüne) schießen. Einige Politiker verstehen dies als Aufruf zum Mord und kündigten rechtliche Schritte an. Am Montag stellte Wowereit Strafanzeige wegen Beleidigung gegen den Rapper.

Bushido erntet Spott – als „talentloser Musiker“

Bushido selbst ergötzt sich an der Aufmerksamkeit, die er bekommt. Als das Video bei Youtube gesperrt wurde, twitterte er trotzig, dass es in 48 Stunden eine Million Mal geklickt wurde. Und auf einem Foto posiert er fröhlich mit der „Bild“-Zeitung, der der Skandal gleich mehrere Aufmacher wert war. Mahnungen von Politikern wie Omid Nouripour (Grüne), man solle „diesen talentlosen Musiker“ ignorieren, weil er ein „Aufmerksamkeitsparasit“ sei, fruchten in Anbetracht der Härte der Vorwürfe nicht. Der Skandal ist wie ein Unfall, bei dem keiner wegsehen kann.

Für Bushido kommt er gerade recht: In letzter Zeit war es ruhig um den Rapper geworden – bis auf die Behauptung in Medien, er stehe angeblich einer libanesischen Großfamilie mit mafiösen Strukturen nahe. Sein letztes Album „AMYF“ war künstlerisch eher auf Bordstein- als auf Skyline-Niveau. Sein Stuttgarter Rap-Kollege Cro landet dagegen mit Wohlfühl-Hip-Hop direkt auf Platz eins der Album-Charts. Für Bushido ist die Aufregung das beste Marketing. Je mehr sich die Öffentlichkeit empört, desto strahlender kann er sich als geradliniger Gangster-Rapper feiern, der kein Blatt vor den Mund nimmt. Street Credibility und so. Der Kultursoziologe Marc Dietrich von der Universität Mannheim erklärt das gegenüber der dpa wie folgt: „Bushido muss sich immer wieder seiner Fanbasis versichern.“ Wer über das Straßenleben rappe, müsse aus dem Milieu kommen oder zumindest glaubwürdiger Augenzeuge sein.

Frau, Kind, Praktikum im Bundestag – und jetzt das

Bushido, der Sohn eines Tunesiers und einer Deutschen, gilt als erster Gangster-Rapper Deutschlands. „Schwul“ verwendet er als Beleidigung, Frauen werden in den Texten mit Schimpfworten belegt, die hier nicht gedruckt werden können. Es folgte eine Phase der Läuterung, Frau, Kind, ein Praktikum bei einem Abgeordneten der CDU im Bundestag, medienwirksames Posieren mit dem Innenminister Hans-Peter Friedrich (CSU). Bushido liebäugelte sogar damit, eine eigene Partei zu gründen.

Für so viel guten Willen gab es zur Belohnung 2011 den Integrations-Bambi – eine höchst umstrittene Entscheidung, die jetzt wieder diskutiert wird. In Anbetracht des neuen Liedtextes klingt die Begründung der Burda-Jury wie schlechte Satire: Bushido habe den Preis verdient, weil er sich einsetze „gegen Gewalt und für ein respektvolles Miteinander in einer multikulturellen Gesellschaft“. Auf Twitter hat Bushido am Samstag noch nachgetreten: „Mir ist gerade aufgefallen . . . Hab Peter Maffay vergessen :-(“, schrieb er mit Blick auf sein Lied. Maffay hatte im November 2011 die Bambi-Laudatio auf Bushido gehalten, sich danach aber von ihm distanziert. Auch jetzt nehmen Musiker Abstand von ihrem Kollegen. „Bushidos Lieder sind in meinen Ohren menschenverachtend“, sagte der Schlagersänger Heino der „Bild“-Zeitung.

Bushido ist also wieder da angekommen, wo er angefangen hat: auf dem Bordstein, dem Pfad des Pöblers, der amerikanischen Gangster-Rap imitiert, und das eher schlecht als recht. Ein Beispiel gefällig? Im aktuellen Video übergießen die Gangster das Auto gar nicht mit Benzin, sondern mit Wasser. Für ein brennendes Auto hat das Budget wohl doch nicht gereicht

Bushido droht Ärger mit Justiz und Jugendschutz

Bushidos neues Lied „Stress ohne Grund“ könnte auf dem Index landen. Am Montag seien entsprechende Anträge gegen die CD und gegen das Video eingegangen, sagte die Vorsitzende der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien (BPjM) in Bonn. Das Prüfverfahren dauert etwa eine Woche. Drei Alben von Bushido stehen bereits auf dem Index.

Die BPjM ist zuständig für die Indizierung von Filmen, Schriften, Spielen, Tonträgern und Internetangeboten. Als jugendgefährdend gelten vor allem „unsittliche, verrohend wirkende, zu Gewalttätigkeit, Verbrechen oder Rassenhass anreizende Medien“. Gewalt verherrlichende oder verharmlosende Angebote unterliegen auch dem Strafrecht. 2012 setzte die BPjM bei 1144 Verfahren 605 Medien auf den Index. Bei der Prüfung wird die mögliche Jugendgefährdung mit den Grundrechten auf freie Meinungsäußerung und mit der Kunstfreiheit abgewogen. .