Digitale Fahrscheine sind der Verkaufsrenner für Fahrgäste im Verkehrsverbund. Bei den Stuttgarter Straßenbahnen (SSB) hat die Technik der Handy-Tickets allerdings noch peinliche Macken. Besonders in den Linienbussen.

Lokales: Wolf-Dieter Obst (wdo)

Stuttgart - Der Busfahrer schüttelt den Kopf und seufzt. „Gehen Sie nur weiter“, sagt er und winkt den Fahrgast durch. Der Betroffene hat soeben im Buseinstieg in scheinbar endlosen Sekunden sein Mobiltelefon unter das Lesegerät gehalten. Hoch und runter, hin und her, aber kein erlösendes Piepen oder grünes Licht, das den digitalen Fahrschein anerkennen würde. Und hinter ihm eine Schlange wartender Fahrgäste. „Unter 20 Fällen“, sagt der Busfahrer, „klappt das vielleicht einmal.“

 

Keine offizielle Statistik, aber plausibel. Bei einem Fahrgast, der auf eine Liste von etwa 20 gekauften digitalen Tickets blickt, hat die digitale Kontrolle noch nie funktioniert. Noch nie – das heißt: bei den gelben SSB-Bussen nicht. Bei privaten Unternehmen, die für die SSB unterwegs sind, dagegen schon. Woran liegt das? Seit Jahresbeginn sind die Barcode-Lesegeräte in den 250 Linienbussen der Stuttgarter Straßenbahnen (SSB) im Einsatz. Doch sie funktionieren nicht zuverlässig – ohne Sichtkontrolle durch Busfahrer haben Schwarzfahrer freie Fahrt.

SSB-Sprecherin: „Sind dabei, eine Lösung zu finden“

„Die Probleme sind uns aufgefallen“, sagt SSB-Sprecherin Birte Schaper, „und wir sind dabei, eine Lösung zu finden.“ Ein Busfahrer, der spekuliert, dass es mit Fingerabdrücken auf dem Smartphone-Glas zu tun haben könnte, hat offenbar nicht recht. „Das hängt damit zusammen, dass es den richtigen Abstand zum Gerät braucht“, sagt Sprecherin Schaper. In den nächsten Tagen wolle man in einem Dutzend Busse eine Nachrüstung mit Abstandshalter ausprobieren.

„Im Zusammenspiel von Mensch und Maschine besteht offenbar noch Optimierungsbedarf“, formuliert es Ulrike Weißinger vom Verkehrsverbund Stuttgart (VVS). „Die Handys sind auch verschieden groß, das macht es nicht leichter.“ Technisch sei aber alles in Ordnung, auch beim Auslesen der sogenannten Polygo-Karte. Man sei sicher, dass die SSB eine gute Lösung fänden.

Das sollten sie auch: Die digitalen Fahrscheine sind im Verbundgebiet ein Verkaufsrenner. 2,36 Millionen im letzten Jahr, ein Plus von 50 Prozent. So sieht es auch 2016 aus: „Bis einschließlich Mai deutet der Trend auf eine erneute Steigerung um 48 Prozent hin“, sagt Ulrike Weißinger. Der VVS rechnet mit 3,6 Millionen Handy-Tickets.

Bei Bunsunternehmen in der Region läuft’s

Dabei sind die Macken nicht neu. In der Region hat man die schon weitgehend hinter sich – nachdem dort 2013 der erste Busunternehmer mit dem Thema E-Tickets angefangen hatte. Der Ärger ging dabei sogar so weit, dass ein Busfahrer eine Frau trotz gültigen Handy-Tickets einen konventionellen Fahrschein kaufen ließ.

„Man kann nicht alle Eventualitäten im Praxisbetrieb vorhersehen“, sagt Sven Peters, der mit seinem Unternehmen Transisco Busfirmen technisch betreut. Die Fehlerquellen seien sehr komplex, sagt Peters: Die Strichcodes müssen fälschungssicher sein, deshalb werden Verschlüsselungen ständig erneuert. Änderungen, die ein tägliches Update der Geräte erfordern. „Es geht ja auch darum, verlorene Tickets oder abgelaufene Abos schnell zu sperren“, so Peters.

Dann gibt es da noch einen unterschiedlichen Vertrieb mit unterschiedlichen Systemen – SSB oder Bahn AG etwa. Auch Abo-Center können für kleinere Programmfehler auf der Karte sorgen. „In der Region konnten wir die Fehler sukzessive abarbeiten“, sagt Peters. Den SSB kann er nicht helfen: „Die haben ein eigenes System“, sagt er.

Während die privaten Unternehmer ein Kombigerät aus Bordrechner, Fahrscheindrucker und Lesegerät haben, setzen die SSB auf getrennte Komponenten. Das Lesegerät musste zur bereits bestehenden Apparatur nachgerüstet werden. Und warum klappt es mit dem Abstand nicht? Peters sagt: „Man hat es mit Hochtechnologie und komplexen Parametern zu tun.“