Baden-Baden ist der kleinste Stadtkreis des Landes. Und steht in der Müllstatistik ganz oben. Der Baden-Württemberg-Atlas der StZ belegt: hier entsteht am meisten Müll. Was sind die Gründe? Die Liebe der Russen zur Stadt?

Klima und Nachhaltigkeit: Julia Bosch (jub)

Baden-Baden - Auf dieser Hitliste möchte niemand ganz oben stehen: der Müllstatistik. Doch der Baden-Württemberg-Atlas, ein Datenprojekt der Stuttgarter Zeitung, bringt es an den Tag. Die größten „Dreckspatzen“ im Land wohnen in Baden-Baden. Dort produziert jeder Einwohner des Stadtkreises 510 Kilogramm Müll pro Jahr. Kein anderer Kreis im Südwesten überschreitet sonst die 500-Kilo-Marke. Nach Baden-Baden, übrigens der kleinste Stadtkreis im Land, liegt Mannheim mit 422 Kilogramm auf dem zweiten Platz der „Dreckspatzen“. Dahinter folgt die Stadt Böblingen mit 400 Kilogramm. Auch bundesweit liegt Baden-Baden auf dem zweitletzten Platz, Kaiserslautern bildet das Schlusslicht.

 

Natürlich hat man sich in Baden-Baden schon Gedanken über das hohe Müllaufkommen gemacht – und hat auch eine Erklärung dafür. „Das liegt an der großen Zahl an Tages- und Übernachtungsgästen in Baden-Baden“, erläutert der Pressesprecher der Stadt, Roland Seiter. Er werde häufig mit der Frage konfrontiert und habe schon viel zu der Problematik recherchiert. „Ohne die vielen Gäste lägen wir im baden-württembergischen Mittelfeld“, so Seiter. An den Baden-Badenern selbst liege es jedenfalls nicht: „Wir haben ein gut funktionierendes Abfallsystem und erhalten keine Beschwerden.“ Wenn man die Übernachtungsgäste auf die Einwohner herunter rechnet, liegt Baden-Baden tatsächlich im Südwesten mit gehörigem Abstand auf dem ersten Platz bei der Anzahl der Übernachtungsgäste.

Dem Statistischen Landesamt zufolge kamen im Jahr 2014 auf 1000 Baden-Badener insgesamt knapp über 17 000 Übernachtungen, rund 910 200 Menschen verbrachten eine Nacht in der Stadt – davon rund 50 Prozent aus dem Ausland, wobei fünf Prozent aus Russland stammen. Bei den Übernachtungsgästen liegt Baden-Baden dabei in absoluten Zahlen hinter den Städten Stuttgart (3 466 300 Übernachtungsgäste), Konstanz (2 170 800), Freiburg (1 358 000), Heidelberg (1 217 200), Mannheim (1 187 800) und Karlsruhe (1 047 400) auf dem siebten Platz.
 

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Im Stadtkreis Baden-Baden gibt es derzeit 86 Beherbergungsbetriebe mit insgesamt 4653 Betten, zwei Thermalbäder, fünf Museen, ein Festspielhaus mit 2200 Sitzplätzen, das bekannte Casino im Kurhaus, sowie sechs Kliniken und ein Kurhaus. „Das ist für eine Stadt mit 53 000 Einwohnern sehr viel und entspricht dem Angebot einer Großstadt“, sagt Brigitte Goertz-Meissner, Geschäftsführerin der dortigen Kur- und Tourismus GmbH.

„Außerdem ist allein die Zahl der geschätzten Tagesbesucher exorbitant hoch in Beziehung zu den Einwohnern“, sagt Goertz-Meissner. Die Tagesgäste würden zusätzlichen Müll produzieren. In der Innenstadt stünden deshalb Müllbehälter, die teils im Boden versenkt seien, um die Menge zu verbergen. „Es ist aber immer sehr sauber bei uns“, betont Goertz-Meissner. Dass die hohe Müllbilanz mit der Liebe der Russen zu der Stadt zusammenhänge, bezeichnet sie als „uralte Mär“: „Nur fünf Prozent unserer Touristen stammen aus Russland“, sagt sie. Und diejenigen, die in Baden-Baden wohnten, würden die Mülltrennung schon lange genug beherrschen, dass sie nicht mehr Abfall produzierten als andere.

Die beste Müllbilanz hat der Landkreis Ravensburg

„Dass das hohe Müllaufkommen in Baden-Baden den vielen Touristen geschuldet ist, ist durchaus denkbar“, bestätigt Frank Lorho, Sprecher des Umweltministeriums Baden-Württemberg. „Abfälle von Hotels, Restaurants, Cafés und Kliniken werden als haushaltsähnliche Gewerbeabfälle dem durchschnittlichen Müllaufkommen pro Einwohner dazu gerechnet“, erklärt Lorho.

Die beste Müllbilanz im Südwesten (2014) hat übrigens der Landkreis Ravensburg mit 251 Kilogramm Müll pro Einwohner, auf dem zweiten Platz liegt der Alb-Donau-Kreis mit 275 Kilogramm, die Bronzemedaille holt sich der Landkreis Schwäbisch-Hall mit 295 Kilogramm. Bundesweit produzierte am wenigsten Müll der Landkreis Mittelsachsen.

Mülleimer mit vielen Kammern sind typisch für Deutschland

Im Ausland gilt Deutschland als Vorbild, was die Mülltrennung angeht. Touristen wundern sich häufig schon bei ihrer Ankunft am Flughafen oder Bahnhof über die Deutschen: Da stehen Mülleimer, die in mindestens zwei, aber häufig auch drei oder vier Kammern unterteilt sind. „Papier“, „Verpackung“, „Glas“, „Restmüll“ steht darauf – meist in mehrere Sprachen übersetzt. Was bei uns selbstverständlich ist, wirkt für Besucher teilweise bizarr.

In Asien etwa stehen an den Straßenecken große Eimer, wo alles entsorgt wird: Plastikflaschen, Überreste von Hühnern, Batterien. Im New Yorker Stadtteil Manhattan läuft der Umgang mit Müll beinahe noch wie im Mittelalter, als man seinen gesammelten Unrat einfach vor die Tür warf. Der Müll wird in schwarzen Plastiksäcken gesammelt an den Straßenrand verfrachtet. Für Mülltonnen gibt es keinen Platz.

Studenten und Singlemänner gelten als „Problemfälle“

Im Vergleich dazu sind die Deutschen mit ihrem Mülltrennungs- und Recyclingsystem vorbildlich. Zwar wird hier und in anderen europäischen und amerikanischen Ländern deutlich mehr Müll produziert als in Asien oder Afrika – gleichzeitig herrscht ein anderer Umgang mit Abfällen.

Genau geklärt ist natürlich auch die Frage, wer denn nun im Alltag den meisten Unrat produziert. Abfallforschern zufolge gelten vor allem Studenten und Singlemänner als „Problemfälle“, die viel Müll machen – unabhängig von dem Kreis, indem sie zuhause sind.