„D’r Klaiber geht, d’r Klaiber macht zu!“ Langsam ist die Botschaft durch-, schließlich auch eingesickert, denn was man nicht glauben mag, das glaubt man auch nicht sogleich. „D’r Klaiber“, der gehörte einfach zu Bad Cannstatt. Seit fast einem Vierteljahrhundert. Am 8. Mai ist Schluss.

Bad Cannstatt - Das „Klaibers Café“ an der König-Karl-Straße war eine Institution in der Stadt, mit Ausstrahlung darüber hinaus. Ein Fels des guten, verfeinerten Geschmacks und exquisiter Qualität in der Brandung industrieller Massenware und formatierter Erwartungen. An Muttertag aber ist Schluss: „Wenn ich bis dahin durchhalte“, merkt der Meister-Konditor, der auch als Koch ein Könner ist, vorsichtig an.

 

Bekannt für sein achtgängiges Schokoladen-Menü

Horst Klaiber sagt das quasi zwischen Tür und Angel. Jetzt, nachdem die Kuchen- und Torten-Theke leergekauft ist und die letzten Gäste gegangen sind. Abschiednehmer, die „die Florentiner jetzt auf Vorrat kaufen“, sagt Klaiber und lacht. Eigentlich müsste er jetzt umstuhlen, denn schon bald kommt eine geschlossene Gesellschaft: für ein achtgängiges Schokoladen-Menü. Eine der Erfindungen, die Klaiber bekannt und berühmt gemacht haben. Bis hoch an die Waterkant, wo Gourmet-Papst Wolfram Siebeck auf die Cannstatter Kreationen aufmerksam geworden war, was dann auch schon bald die ganze Feinschmecker-Republik wusste. Auch Teams mit Fernsehkameras sind hier aus- und eingegangen, wobei sich nicht nur Annette Krause wie im Schlaraffenland wähnte.

Lebensmotto Foto: Georg Linsenmann

Klaiber geht trotzdem. Zurück in die Heimat, an den Ursprung des Neckars. Aber der Schwenninger Schwan, der war in Klaibers Café eh immer präsent: in Gold gefasst, als Relief-Medaillon an der rückseitigen Stirn des Cafés, als ein souverän in sich ruhendes Symbol. Der hockt, würde Klaiber wohl eher sagen, so wie sich diese Masse Mann nun doch noch hinhockt, sich eine Zigarette anzündet und kurz an den schelmisch gezwirbelten Bartspitzen zupft. So ein Abschied ist doch nicht ganz im Vorbeigehen zu machen.

„Ja, es haut mich im Viereck herum“, gibt Klaiber zu, „ich habe dieses Cannstatt und die Leute hier geliebt.“ Und schon glüht er wieder voller Leidenschaft. Als wolle er, was er jahrelang tat, jetzt gleich wieder tun: begabten und fleißigen jungen Leuten ein Bewusstsein einimpfen für gehobenes Niveau – und dann auch gleich das nötig Können vermitteln. Plus der Lust, auf dieser Basis zu experimentieren. Oder sich im Handels- und Gewerbeverein an vorderster Front nicht nur für kulinarische Ansprüche in die Bresche werfen. Denn geschont hat sich dieser Genussmensch und schwäbisch-alemannische Vitalbolzen nie. Nicht vor, nicht hinter der Theke, weder in der Backstube noch am Herd. Eine Tonne Schokolade im Jahr verarbeiten: der Normalfall. Und alles in Handarbeit.

Die Pralinen zum Beispiel. Dafür hatte er extra einen Vakuum-Mischer verwendet, der ihn mehr als 8000 Euro gekostet hatte. Das war es ihm wert: „So ging es ohne Konservieren“. „Ohne Päckle“ ist eh das Zauberwort. „Echt-Kochen und Echt-Backen“ nennt das Klaiber, „das war mein Ding. Alles selber, alles frisch. Ehrlich und mit Herzblut. Aber da musst du schaffen wie ein Tier. Aber zuviel war es mir nie.“ Auch das war das Geheimnis des Erfolges „vom Klaiber“.

Betriebswirtschaftlich war es schwierig

„Die Wertschätzung“, betont Horst Klaiber, „das hat mich angespornt, immer weiterzumachen und Gas zu geben. Auch wenn es betriebswirtschaftlich öfters schwierig war. Wenn ich nicht die Unterstützung meiner Eltern gehabt hätte, auch die finanzielle, hätte ich das nicht 23 Jahre lang durchgehalten. Ich war dem Neckar manchmal näher als dem G’schäft. Die haben mich über Wasser gehalten.“ Und auch jetzt, zum Finale, ist wieder Klaibers 83-jährige Mutter da, um hinter den Kulissen zu helfen.

Jetzt müsste er wieder investieren. Eine neue Deklarationswaage, neue Kassen, wegen gesetzlicher Vorschriften: „Zehntausend Euro, nur für den Staat! Es reicht.“ Klaiber geht zurück in die Heimat: „Ein Jugendfreund hat mir ein Angebot gemacht, für sein Ausflugslokal. Festanstellung, einigermaßen geregelte Arbeitszeiten, Weiterentwicklung des Programms. Da kann ich jetzt einen Gang zurückschalten. Und es ergibt Sinn, zusammen die Kräfte zu bündeln.“

Horst Klaiber geht also „mit einem lachenden und einem weinenden Auge“. „Dreieinhalb Stammtische und die Fasnet. Da hast du alles gehabt in Cannstatt. Aber das Ungewisse, das hat mich oft auch verrückt gemacht. Und die Zeit ändert sich. Zum einen wächst das Qualitätsbewusstsein, auch bei jungen Leute. Auf der anderen Seite trinkt man den Kaffee to go und aus der Schnabeltasse. Verrückte Zeiten! Jetzt gehe ich zurück zu meinen Wurzeln. Adieu Cannstatt!“ Und Cannstatt geht nie mehr „zum Klaiber“. Adieu Klaiber!