Nach drei Jahren Fluxus ist bald Schluss mit der kleinen Oase in der Calwer Passage. Doch die Händler und Projekt-Gründer Hannes Steim wollen nicht aufgeben und suchen neue Flächen.

Stuttgart - Warum gibt es in der City kaum noch inhabergeführte Geschäfte? Es ist eine rhetorische Frage, die eigentlich keiner Antwort bedarf. Der Eindruck nach einem Spaziergang über die Königstraße reicht als Antwort. Zara, H&M, O2, Telekom, Fielmann, Deichmann, Uniqlo, Saks of Fith Avenue, TK Maxx und und und. In Fakten: Die Königstraße weist einen Filialisierungsgrad von 92 Prozent auf. Hier in der 1A-Lage ist die große Handelswelt zu Hause. Aber auch in den Randlagen und 1B-Lagen ist kaum noch Platz für innovative Handelskonzepte oder Start-Ups. Der Grund ist einfach: Die Ladenmieten sind schlicht zu teuer.

 

Das Hauptproblem für Neugründer sind die Mietbedingungen. Das Gesamtpaket wirkt für Kleine wie ein Knebel. Allein die Miethöhe bis zu 350 Euro pro Quadratmeter auf der Königstraße ist für den inhabergeführten Handel nicht bezahlbar. Aber allein der Preis ist kein Ausschlusskriterium, sich in der Innenstadt niederzulassen. Hinzu kommen Mietlaufzeiten von fünf bis zehn Jahren, Maklercourtagen von bis zu 3,6 Monatsmieten sowie eine saftige Kaution. Auf eine Ladenfläche von 100 Quadratmeter und günstigen 50 Euro Miete pro Quadratmeter kommen bereits 5000 Euro Fixkosten pro Monat – und zwar kalt, ohne Nebenkosten. Summiert man diese Mietverbindlichkeiten auf eine Laufzeit von nur fünf Jahren kommen 300 000 Euro auf einen zu. Dagegen sind die 18 000 Euro Maklercourtage und 15 000 Euro Kaution fast Peanuts, wie Ex-Deutsche-Bank-Chef Hilmar Kopper wohl sagen würde.

Fluxus hat das kapitalistische System gebremst

Aber was für die Deutsche Bank „Peanuts“ wären, sind für den kleinen Händler eine Menge Holz. Daher freuten sich alle Kleinen und Neugründer in den vergangenen drei Jahren über eine kleine Insel mitten in der Stadt, in der diese Rahmenbedingungen außer Kraft gesetzt waren: das Fluxus in der Calwer Passage.

Auch Kunden empfanden das Fluxus als das berühmte gallische Dorf von Asterix, das dem Finanz-Imperium trotzte. Tatsächlich war das Fluxus seit drei Jahren Hort der Ideen, ein Fixpunkt der feinen Handels- und Gastronomiekonzepte. Erfinder und Begründer ist Hannes Steim.

Im Fluxus gab es laut Steim keine Knebelverträge. Die Laufzeit der Mietverträge betrug zwischen drei und zwölf Monate, die Quadratmeterpreise lagen zwischen 20 und 50 Euro und die Maklergebühr entfiel ganz. Lediglich eine Monatsmiete Kaution fiel an. „Wir haben den kapitalistischen Markt außer Kraft gesetzt“, sagt Steim, „und wir haben das einstmals tote Areal der Calwer Passage wieder neu belebt.“

Mit wir meint er 43 verschiedene Mieter auf den 1750 Quadratmetern Gesamtfläche, von denen über die Hälfte aller Mieter Neugründer waren. Mit wir meint er alle im Fluxus. die auch mit über 100 Veranstaltungen eine besondere Qualität in der Innenstadt geschaffen haben.

Star-Archtitekt baut neu

Doch damit ist bald Schluss. Die Piëch Holding, der das Gebäudeensemble gehört, lässt alles rund um die denkmalgeschützte Passage abreißen und baut mit den Stars der Szene (Architekt Christoph Ingenhoven und Ingenieur Werner Sobek) neu. Damit hat der „Ort mit Dorfmarktplatz-Charakter“ (Steim) dort keine Zukunft mehr.

So weit die Fakten, mit denen sich Hannes Steim und die vielen Fluxus-Händler aber noch nicht anfreunden wollen. Daher fragt Steim in die Stadtgesellschaft hinein: „Wie wichtig ist dieses Konzept für eine Stadt wie Stuttgart?“ Und: „Was kann die Stadt für den Fortbestand des Fluxus-Konzeptes tun?“

Dürften die Stuttgarter antworten, gäbe es keine Zweifel: alle würden für den Erhalt des bundesweit einzigartigen Projekts plädieren. Allein die Möglichkeiten der Stadtverwaltung sind begrenzt. Es scheint ausgeschlossen, dass die Stadt eigene Flächen mit subventionierten Mietpreisen zur Verfügung stellen kann. Dieser Eingriff in den Wettbewerb dürfte im Gemeinderat keine Zustimmung finden. Dennoch will Hannes Steim nicht aufgeben: „Das Fluxus ist ein superwichtiger Ort für die Stadt geworden. Und die Händler wollen weitermachen.“ Fragt sich: wo? Steim selbst könnte sich vorstellen in die bald fertiggestellte Ex-Rathausgarage zu ziehen. Selbst ein Comeback in der neu erschaffenen Calwer Passage hält er für denkbar, wenn der Investor Piëch angemessene Mietpreise verlange. Kurzum: jede gute Idee ist willkommen. Hannes Wolf, der Quartiersmanager des Gerberviertels, lässt sich da nicht zweimal bitten: „Ich könnte mir so eine tolle Geschichte unter der Paulinenbrücke vorstellen.“

Und Veronika Kienzle, die Bezirksvorsteherin Mitte, denkt laut über das Areal der Züblin-Garage nach, die abgerissen werden soll. Gute Ideen für den Fortbestand des Fluxus-Konzeptes sind gefragt. Machen Sie mit: Machen sie Vorschläge und schreiben Sie uns unter innenstadt@stz.zgs.de.