Der Glanz der Calwer Passage in Stuttgart ist dahin. Was wird nun aus ihr? Modernisierung, Verkauf oder Neuvermietung stehen zur Debatte.

Stuttgart - Was wird aus der Calwer Passage? Diese Frage treibt nicht nur viele Geschäftsleute unter der in die Jahre gekommenen Glaskuppel um. Die Kundschaft macht sich zunehmend rar und scheint damit die Antwort längst gegeben zu haben: So jedenfalls wird nichts mehr aus dem einst gefeierten Einkaufsjuwel. Der anfangs von einem Hauch von Luxus polierte Glanz ist nach mehr als dreißig Jahren längst verblasst, die mit dunklem Grün abgesetzte Kupferfassade versprüht den vergangenen Charme der späten siebziger Jahre. Damit ist heute im harten Wettbewerb der Einkaufsquartiere kein Staat mehr zu machen.

 

"Irgendetwas muss hier passieren, so geht es nicht weiter. Wir haben viel zu viele Mieterwechsel, zu hohe Mieten und zu wenig Kundschaft", sagt ein Geschäftsmann. Aus Sorge um seinen Mietvertrag will er seinen Namen lieber nicht in der Zeitung lesen. "Irgendwas liegt in der Luft", sekundiert eine Kollegin. Sie verweist auf viele Mietverträge, die nur noch kurzfristig abgeschlossen wurden sowie einige alte Verträge, die im nächsten Jahr auslaufen. Was aber kommt dann?

Steht ein Abriss an?

Es sind bereits Passantenzählungen beobachtet worden, ebenso Immobilienbesichtigungen. Das nährt die Gerüchte, dass in absehbarer Zeit tatsächlich etwas passieren wird. Steht eine Gesamtmodernisierung oder gar der Abriss an? Ein Verkauf an neue Investoren? Oder womöglich ein umfangreicher Umbau, um als Magneten für die Passage einen neuen großen Mieter zu gewinnen? Das sind die offenen Fragen.

Die Württembergische Lebensversicherung als Eigentümerin der Calwer Passage gibt auf Nachfrage keine klare Antwort. Sie bestätigt aber, dass nur noch befristete Mietverträge abgeschlossen würden. "Eine grundsätzliche Erneuerung des Objektes steht an, wenn ein attraktiver Ankermieter gefunden ist", sagt der Pressesprecher Immo Dehnert. Es seien bereits erste Gespräche mit Projektentwicklern geführt worden, allerdings gebe es keine konkreten zeitlichen oder inhaltlichen Pläne. Auch würden keine Verkaufsverhandlungen geführt. Dies freilich schließt Verkaufsabsichten auch nicht aus.

Der Publikumsmagnet fehlt

Einstweilen jedenfalls müssen sich die Geschäftsleute mit der ungewissen Situation arrangieren. Mit Frequenzproblemen, Leerständen und häufigem Mieterwechsel kämpft die Calwer Passage bereits seit Jahren, was gleich mehreren Ursachen geschuldet ist. "Die Laufströme haben sich in den vergangenen Jahren immer mehr auf die neue Königstraße verlagert", beurteilt der Citymanager Hans H. Pfeifer die Situation. Allerdings müssten sich die Händler auch an die eigene Nase fassen. "Man muss durchaus auch etwas dafür tun, dass man attraktiver wird", mahnt Pfeifer.

Als jüngstes Negativbeispiel gilt ihm die lange Einkaufsnacht. In der Innenstadt tobte der Bär, aber die Calwer Passage war wie tot, nur zwei Geschäfte hatten geöffnet. Eines davon war die Designerboutique "Na und". Deren Betreiberin Brigitte Lederer beklagt, dass es unter den Passage-Händlern keine Gemeinsamkeiten gebe. Zudem sei die Passage "wie abgeschnitten, weil die versteckten Zugänge ein riesiges Problem sind", sagt die Geschäftsfrau, die auch einen Laden in der Calwer Straße betreibt. "Straße und Passage sind nicht vergleichbar", betont sie.

Der Passage fehlt es an Flair

"Hier gibt es zu viele Spezialläden, die keine Masse anziehen. Es fehlt ein Magnet", sagt Bernd Kiederer, der mit seinem Laden für Bücher, Musik und Mineralien vor dreieinhalb Jahren in die Passage gezogen ist. Die Schließung des Café Passage hat nicht nur er als großen Verlust empfunden. In dessen Räumen verkauft die Firma Krüger heute Dirndl. "Das Bummelpublikum fehlt hier, die Passage hat einfach an Flair verloren", sagt die Ladenchefin Carmen Peter. Sie freue sich aber über kauffreudige Touristen und ein Publikum, das gezielt ihr Geschäft aufsuche. Deswegen würde sie trotzdem gerne bleiben - falls der befristete Vertrag im Herbst nochmals verlängert wird.

Auch Lutz Metzger von der Interessengemeinschaft Calwer Straße bedauert, dass es nur wenig gebe, was Publikum in die Passage ziehen könnte. "Flanierende Leute habe ich hier lange nicht mehr erlebt." Er kann ein Lied davon singen, dass Einzelhändler gerne Einzelkämpfer sind. Die Werbemöglichkeiten der Initiative seien aber finanziell schon durch die Weihnachtsbeleuchtung erschöpft. Eine lange Nacht sei aufgrund der vielen inhabergeführten Geschäfte "nicht zu bewerkstelligen".

Wie schlecht es um die Gemeinschaft bestellt ist, lässt sich auch daran ablesen, dass man weder den 25. noch den 30.Geburtstag gefeiert hat. Das letzte Passagenfest liegt fast 13 Jahre zurück. Damals, zum 20-Jahr-Jubiläum, gab man sich noch so traditionsbewusst wie zuversichtlich: "Die Bedeutung der Calwer Passage als Attraktion wird eher zunehmen", war die Prognose. Nur wenige Jahre später gab es dann aber laute Klagen über "den schleichenden Niedergang einer Renommieradresse".

Eine Adresse mit großer Vergangenheit

Die Passage: Parallel zur Calwer Straße gelegen, galt die Passage bei ihrer Eröffnung 1978 als Musterbeispiel für die Verknüpfung denkmalgeschützter Bausubstanz mit moderner Architektur. Das Werk der Architekten Kammerer und Belz lockte nicht nur die Stuttgarter in Scharen an. Auch Fachpublikum und Touristen aus der ganzen Welt kamen, um das Modellprojekt als Attraktion zu bestaunen und tausendfach zu fotografieren. Bauherr war die Allgemeine Rentenanstalt, die später mit der heute zur Finanzdienstleistungsgruppe Wüstenrot und Württembergische gehörenden Württembergischen Lebensversicherung AG fusionierte. Diese ist bis heute Eigentümerin der Calwer Passage und sieben weiterer Häuser in der Calwer Straße, deren Ladenflächen mitunter zur Passage durchreichen.

Die Läden: Sowohl die Straße als auch die Passage gehörten einst zu den besten Adressen im Stuttgarter Einzelhandel. Erinnert sei etwa an das Modehaus Beate Mössinger. Nach und nach hat die Stiftstraße, die jetzt als erste Adresse gilt, dem Calwer Quartier aber den Rang abgelaufen. Unmittelbar zur Passage gehören heute 15 Geschäfte unterschiedlicher Sparten, die sich über 1300 Quadratmetern erstrecken.