Weder E-Mails noch Facebook oder Wikipedia: Sieben Tage lang war Campuskind-Gastautorin Marie Hertfelder komplett offline. Dabei hat sie festgestellt, dass uns das Internet durch die vielfältigen Möglichkeiten nicht selten die Wirklichkeit aus den Augen verlieren lässt.

Weder E-Mails noch Facebook oder Wikipedia: Sieben Tage lang war Campuskind-Gastautorin Marie Hertfelder komplett offline. Dabei hat sie festgestellt, dass uns das Internet durch die vielfältigen Möglichkeiten nicht selten die Wirklichkeit aus den Augen verlieren lässt.

 

Tübingen - Der Tag danach. Die Wohnung war, glaube ich, noch nie so sauber, der Kühlschrank ist zum Bersten gefüllt. Verliebt streiche ich über die Tastatur meines Laptops. Endlich wieder online. Knapp 50 ungelesene Mails auf meiner Privatadresse, ebenso viele auf dem Uni-Mail-Account. Klingt wichtig. Über die Hälfte davon sind Werbung, Newsletter oder Anfragen für wissenschaftliche Studien. Die restlichen Mails sind von besorgten Freunden und Arbeitskollegen, die sich wahrscheinlich wundern, warum ich mal nicht nach zehn Sekunden antworte.

Wieso macht man das überhaupt? Eine Woche ohne Internet – wozu? Wenn es doch so viel bringt und das Leben so viel einfacher macht? Man darf das jetzt nicht falsch verstehen. Ich liebe das Internet. Es bereichert unser Leben in vielerlei Hinsicht, und ja, es macht vieles einfacher. Doch was es auf der einen Seite für die Kommunikation tut, das nimmt es ihr auf der anderen Seite auch wieder. Wir lernen eine neue Art des Kommunizierens und verlieren dabei oft die Wirklichkeit aus den Augen.

Am ersten Tag meines Selbstversuches habe ich eine Gruppe Jungen beobachtet. Als ich in deren Alter war, hatten wir in der Familie nur ein Handy: einen gelben Schlagstock der Marke Siemens. Von Internetfähigkeit noch meilenweit entfernt. Heute haben schon die Jüngsten das neuste Smatphone-Modell. Und wenn die Jungs aus dem Bus von der Schule nach Hause kommen, dann werden sie vielleicht an ihren Computer sitzen, jeder für sich, anstatt draußen zusammen Fußball zu spielen. Und wenn sie in, sagen wir mal zehn Jahren, studieren, dann besitzt jeder von ihnen einen Uni-Mail-Account, regelt seine Referate per Facebook-Gruppe oder schreibt seinem Dozenten bei jeder Unklarheit eine aufgeregte Mail. Immer erreichbar. An diesem Tag habe ich einen der Jungen gefragt, wie er es fände, wenn es kein Internet mehr gebe. Ich erinnere mich noch genau an seinen verwirrten Blick. „Wie kein Internet? Das gibt‘s doch immer.“

Die Autorin Marie Hertfelder, 22, studiert Politikwissenschaft und Medienwissenschaft an der Universität Tübingen. Sie hat ausprobiert, was man sich in der heutigen Zeit kaum noch vorstellen kann: sieben Tage lang aufs Internet zu verzichten. In den vergangenen Tagen haben wir ihre Erfahrungsberichte veröffentlicht:

Teil 1: Sieben Tage offline – ein Selbstversuch

Teil 2: Das Netz fehlt jetzt schon

Teil 3: Verloren im Bibliotheken-Nirwana

Teil 4: Eine Süchtige auf Entzug

Teil 5: Der Professor und das Smartphone

Teil 6: Fast wie im Urlaub