Sieben Tage ohne Internet: Campuskind-Gastautorin Marie Hertfelder macht den Selbstversuch. Und scheitert am dritten Tag an der Literatursuche in der Uni-Bibliothek.

Sieben Tage ohne Internet: Campuskind-Gastautorin Marie Hertfelder macht den Selbstversuch. Und scheitert am dritten Tag an der Literatursuche in der Uni-Bibliothek.

 

Tübingen - Obwohl sich meine Referatsgruppe ohne mich getroffen hat, komme ich um den Vortrag nicht herum. Am nächsten Tag finde ich mich also in der Universitätsbibliothek ein und stehe gleich vor dem nächsten Problem: Der Online-Suchkatalog. Aber wenn ich jetzt eben ohne Internet ein Buch suchen müsste? Der Bibliotheksmitarbeiter legt ungläubig den Kopf zur Seite und mustert mich misstrauisch. Man sieht förmlich, wie es in seinem Kopf arbeitet. Diese Studenten. „Es gab mal einen Zettelkatalog“, erzählt er mir und deutet auf einen großen Schrank hinter dem Empfang.

Der Schrank ist leer, seit drei Jahren ist auch der handschriftliche Katalog digitalisiert. Einzig die Lehrbuchsammlung im Eingangsbereich ist nach Fachgebieten geordnet, der Rest der Bücher ist kreuz und quer auf fünf Hauptgebäude verteilt. Mein gewünschtes Buch zu den EU-Beitrittsverhandlungen der Türkei befindet sich also irgendwo im Nirwana von 3.712.480 Medieneinheiten. Da ist das Suchen ohne Signaturangabe schlichtweg unmöglich. Resigniert verlasse ich die Bibliothek wieder, während auf jedem zweiten Tische ein nur allzu bekanntes blau-weißes Logo über den Bildschirm flimmert. Mark Zuckerberg wäre stolz.

Facebook – belanglos und oberflächlich

In Windeseile wird da durch die „Neuigkeiten“ gescrollt, hier und da ein „Gefällt mir“ eingefügt oder eine „Statusmeldung“ kommentiert, bei der wahrscheinlich gerade jemand berichtet, wie er einen veganen Sojajoghurt zu sich nimmt. Endlich einmal etwas, das ich nicht vermisse. Nicht wirklich zumindest. Das ist Facebook, eine Plattform der Belanglosigkeiten, der oberflächlichen Freundschaften, in der sich das Ego der Nutzer nach der Anzahl empfangener „Likes“ und „Anstubser“ definiert. Wir teilen unser Leben mit der Welt und sind doch isolierter als je zuvor.

Meine wahren Freunde erreichen mich auch ohne Internet. Altmodisch per Telefon oder, ganz verrückt, in dem sie einfach mit mir reden. Denn es gibt sie noch: Die Menschen, die Online-Kommunikationsmitteln wie Facebook vollkommen abschwören – und trotzdem irgendwie normal sind. Meine Freundin Kristina ist so ein Mensch. Kristina sagt, „die Menschen reden nicht mehr miteinander“. Und wenn sie es täten, dann redeten sie über Facebook. Hast du das schon gelesen? Hast du meine Nachricht bekommen? Ausgeschlossen fühlt sich die 22-Jährige dabei nicht. Ich kann nicht umhin, sie dafür zu bewundern. Ein Dinosaurier in der Online-Hysterie.

Denn im wahren Leben klickt man nicht alle zwei Minuten auf „aktualisieren“. Man lebt einfach. Und da ist es irgendwie erleichternd, mal nicht den Druck zu haben, immer alles wissen zu müssen.

Die Autorin Marie Hertfelder, 22, studiert Politikwissenschaft und Medienwissenschaft an der Universität Tübingen. In den kommenden Tagen veröffentlichen wir weitere Teile ihres Erfahrungsbericht zum selbstauferlegten Internet-Verzicht. Teil eins lesen Sie hier, zum Bericht über den zweiten Tag geht es hier.