Eine Woche lang will Campuskind-Gastautorin Marie Hertfelder ohne Internet auskommen. Doch Youtube, Facebook und Co. verfolgen sie am fünften Tag bis in die Vorlesung – selbst Professoren schielen ständig auf ihr Smartphone.

Eine Woche lang will Campuskind-Gastautorin Marie Hertfelder ohne Internet auskommen. Doch Youtube, Facebook und Co. verfolgen sie am fünften Tag bis in die Vorlesung – selbst Professoren schielen ständig auf ihr Smartphone.

 

Tübingen - Morgens, 8 Uhr c. t., Vorlesungssaal. Pünktlich zur akademischen Viertelstunde erfreue ich mich einer ganz neuen Erfahrung: Ich bin ausgeschlafen. Keine Serie, die ich bis spät in die Nacht online „gestreamt“ habe. Kein Smartphone, auf dem ich anschließend noch „kurz“ Bilder auf Instagram angeschaut habe und dabei irgendwie auf einem Link gelandet bin, der auf ein Blog führte, das mich dann wiederum auf einen neuen Trailer auf Youtube aufmerksam gemacht hat, woraufhin mir noch ein anderer Clip vorgeschlagen wurde, der dann… Und so weiter.

Im schummrigen Dunkel des Vorlesungssaals wird auch ein Youtube-Film gezeigt. Einzige Lichtquelle ist die große Leinwand. Die und zahlreiche kleine Bildschirme, überall im Raum verteilt. Würde ich jetzt nicht einfach so dasitzen, sondern es wie sonst auch meinen Kommilitonen nachtun und ebenfalls mein Smartphone oder Laptop aus der Tasche kramen – es würde mir nicht mal auffallen. Auch die Professoren haben sich längst mit ihrem Schicksal abgefunden. Die meisten jedenfalls. Kaum einer protestiert noch, wenn die Hälfte der Kursteilnehmer den Blick nach untern richtet anstatt nach vorne. Mehr noch, die meisten Dozenten schielen selbst während der anderthalb Stunden mindestens einmal auf das eigene Gerät. Ohne die geringste Spur der Empörung wird diese offensichtliche Ignoranz ganz einfach hingenommen. Auf beiden Seiten.

Irgendwann mittags, genaue Uhrzeit unbekannt. Denn die Batterie meiner Armbanduhr ist leer. Der Versuch sie zu wechseln stellt sich als schier unmögliches Unterfangen heraus. Im Internet gäbe es jetzt ein „Tutorial“ dazu. Stattdessen muss ich zum Juwelier. Der löst das Problem in nur wenigen Sekunden. Während die Zahl meiner virtuellen Kontakte auf null gesunken ist, nimmt die Anzahl der echten Menschen, die ich so kennenlerne, mehr und mehr zu. Und überhaupt, was es in der Innenstadt so für Läden gibt. Es geht also auch ohne Online-Shopping. Ob mich der DHL-Paketbote schon vermisst?

Die Autorin Marie Hertfelder, 22, studiert Politikwissenschaft und Medienwissenschaft an der Universität Tübingen. In den kommenden Tagen veröffentlichen wir weitere Teile ihres Erfahrungsbericht zum selbstauferlegten Internet-Verzicht. Hier gibt es die bisher erschienen Beiträge:

Teil 1: Sieben Tage offline – ein Selbstversuch

Teil 2: Das Netz fehlt jetzt schon

Teil 3: Verloren im Bibliotheken-Nirwana

Teil 4: Eine Süchtige auf Entzug