Wer produziert eigentlich Cannabis, wenn der Stoff demnächst als Arzneimittel erlaubt ist? Baden-Württembergs Bauern jedenfalls nicht, meint die CDU. Die Grünen widersprechen.

Stuttgart - Martin Hahn aus Überlingen ist nicht nur Landwirt, er vertritt auch die Interessen seines Berufsstandes als Grünen-Abgeordneter im Stuttgarter Landtag. Vergnügungssteuerpflichtig ist das nicht, denn Klagen gehört offensichtlich zu den hervorstechenden bäuerlichen Eigenschaften: „Vielen geht’s ja auch nicht gut, deshalb hör’ ich viel Negatives“, sagt Hahn. Umso mehr hat er sich gefreut, als ein Landwirt ihn kürzlich auf eine neue Einnahmequelle angesprochen hat: den Anbau der Cannabis-Pflanze zu medizinischen Zwecken.

 

Die Zustimmung des Bundestags steht zwar noch aus, doch die Bundesregierung hat die Änderung der gesetzlichen Grundlage bereits beschlossen: Schmerzgeplagte Patienten, denen sonst nichts hilft, sollen cannabishaltige Arznei wie etwa getrocknete Blüten auf Rezept erhalten können. Bisher ist dafür eine Ausnahmeerlaubnis notwendig. Für die Landwirte ist dabei interessant, dass die Menge des benötigten Medizinalhanfs in Deutschland damit schlagartig anwächst: Auf bis zu 80 000 Patienten schätzen Experten den Kreis der Bezugsberechtigten – aufgrund der Erfahrung anderer Länder. „Dies ergäbe einen jährlichen Bedarf von zirka 15 000 Kilogramm“, antwortet Agrarminister Peter Hauk (CDU) dem Abgeordneten auf dessen offizielle Anfrage.

Winkt ein neuer Markt?

Kein Wunder, dass es die Landwirte da in den Fingern juckt: „Dieser medizinische Hanf wird einen Markt haben“, sagt Hahn, „und den sollte man nutzen.“ Doch leider habe der Minister seinen Antrag ziemlich mutlos beantwortet, meint der Grüne: „Damit hätte man ruhig positiver umgehen können.“ In der Tat sieht der Agarminister nun nicht eben die Morgenröte anbrechen für den gebeutelten Berufsstand. Cannabispflanzen an den Steillagen des Südschwarzwalds? Hauk winkt ab und verweist auf die Pflicht, dass alle am Betäubungsmittelverkehr Beteiligten besondere Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Entnahme treffen müssen: „Eine Aufbewahrung in Räumen mit Fenstern kann nur bei entsprechend stabilem Mauerwerk und Vergitterung der Fenster erfolgen“, gibt der CDU-Mann zu bedenken und kommt zum Schluss: „Die Potenziale eines Cannabis-Anbaus zu medizinischen Zwecken für die baden-württembergische Landwirtschaft ist zu vernachlässigen.“ Maßnahmen zur Unterstützung seien von der Landesregierung nicht vorgesehen.

Doch Hahn wirft die Flinte noch nicht ins Korn, denn in dieser Woche wird sich der Agrarausschuss des Landtags mit dem Thema befassen. Dort will der Grünen-Abgeordnete, der auch Vorsitzender dieses Ausschusses ist, noch einmal für eine unvoreingenommene Behandlung dieses Thema werben. Der Koalitionspartner macht ihm die Sache nicht eben einfacher, denn bei der Südwest-CDU blinken schon beim bloßen Stichwort Cannabis alle Alarmglocken. Zwar hat der Anbau für medizinische Zwecke nichts mit einer allgemeinen Freigabe zu tun – was die Bundesregierung auch ausdrücklich betont: „Der Eigenanbau sowie die Verwendung zu Rauschzwecken bleiben verboten.“

Für die CDU ein Tabu

Doch im Grunde wollen die Christdemokraten nicht an das Tabu rühren. Denn die Furcht, damit am Image der Recht-und-Ordnung-Partei zu kratzen, ist groß. Und noch zu frisch ist die Erinnerung an den Wahlkampf, in dem die Grüne Jugend sich für die Freigabe von Cannabis ausgesprochen hatte – und die CDU aufheulte. Nur mit Mühe hat sich die Koalition im Frühjahr darauf verständigt, sich in der Justizministerkonferenz für eine bundeseinheitliche Regelung im Hinblick auf die sogenannte „geringe Menge“ bei Cannabis einzusetzen.

Der stellvertretende Landtagspräsidenten Wilfried Klenk, der im Agrarausschuss Berichterstatter seiner Fraktion zu diesem Thema ist, fühlt sich denn auch nicht recht wohl in seiner Haut, weil er in dieser Woche zu Hahns Antrag reden muss: „Die Menge, die für medizinische Zwecke gebraucht wird, gibt keine Einnahmequelle für Landwirte her“, befindet er. So wird Hahn das Jammern seiner Berufskollegen also weiterhin ertragen müssen. Ohnehin ist noch gar nicht sicher, ob der Bundestag den Gesetzentwurf durchwinkt. Bei einer öffentlichen Anhörung des Gesundheitsausschusses am vergangenen Mittwoch wurde einige Kritik daran laut. So wird etwa bemängelt, dass auch Cannabisblüten als Medikament zugelassen werden sollen. Einige Fachleute monierten, für deren therapeutischen Nutzen gebe es keine hinreichenden Belege.