Vor 50 Jahren hat der Cannstatter Ruderclub das Bootshaus am Neckar in Hofen eröffnet. Zunächst waren die Mitglieder nicht ganz so glücklich über den Standort außerhalb von Cannstatt. Doch schon bald liebten sie ihr „Neckar-Schlösschen“.

Bad Cannstatt - Neckar-Schlösschen“ nennen die Mitglieder des Stuttgart-Cannstatter Ruderclubs von 1910 ihr Bootshaus, gelegentlich auch mal das „Schloss am Neckar“. In aller Bescheidenheit, versteht sich. Doch wenn die Sonne das Weiß des lang gezogenen schlanken Hauptbaus zum Leuchten bringt, wirkt der stolze Titel durchaus sinnfällig. Das „Neckar-Schlösschen“, das vor 50 Jahren eröffnet wurde, birgt aber auch einen anderen Stolz: endlich heimisch geworden zu sein als Verein. Mit der Heimstatt hat sich nicht nur Rudern als Breitensport etabliert, sondern die Sportler haben auch stattliche Erfolge erzielt, darunter auch olympische Platzierungen und weltmeisterliches Edelmetall.

 

„Das Bootshaus war für uns eine zweite Heimat“

Also haben sich die Mitglieder die Gelegenheit nicht entgehen lassen, zum Jubiläum alte Zeiten aufleben zu lassen. Wolfgang Fritsch aus Radolfzell holte zum Beispiel 1976 mit Paul Luz und „Ecke“ Braun den WM-Sieg im Leichtgewichts-Vierer ohne Steuermann. Mit Braun zusammen hatte Fritsch das Jahr drauf noch im Achter nachgelegt: „Nach Dortmund waren wir damals der zweitbeste Ruderverein in Deutschland“, erzählt er, „jeden Nachmittag haben wir auf dem Neckar trainiert. Aber auch die anderen waren sehr erfolgreich, auch die Jugendmannschaften“, fügt Fritsch hinzu, während er durch den Flur schlendert und die Dokumente an den Wänden betrachtet: „Wissen Sie, wir waren hier jeden Tag zusammen. Das soziale Leben mit Gleichaltrigen, der Zusammenhalt, das war uns das Wichtigste. Das Bootshaus war für uns eine zweite Heimat.“ Noch etwas gibt der Weltmeister mit auf den Weg: „Die guten Leute zieht es dahin, wo die guten Trainer sind. Und die sind nur da, wo sie gute Bedingungen haben. So schließt sich der Kreis.“

Ganz selbstverständlich wirkt dieser Stolz aufs „Neckar-Schlössle“ heute, anfangs aber fühlten sie sich „wie im Exil“: „Wir Cannstatter sollten nach Hofen? Das war doch nichts!“, schildert Neithard Richter die damalige Stimmung. Die Situation war schwierig, nachdem der Club am Standort Voltastraße einer Fensterbaufirma hatte weichen müssen. Das war bereits „die fünfte Vertreibung“, und die Odyssee schien kein Ende zu nehmen. Bis man eben doch in Hofen vor Anker ging: „Aus heutiger Sicht ein Volltreffer“, meint Richter, 75 Jahre alt, in Lüneburg zu Hause. Und Walter Frech, 83, fügt hinzu: „Auch sportlich wäre weiter oben nichts mehr gegangen. Wir waren da hinterm Deich und ein bisschen eingeklemmt. Hier hat man freien Blick aufs Wasser und ist direkt an einem der besten Trainingsgewässer überhaupt.“ Und doch pflegen die Verpflanzten als „Voltasträßle-Club“ die alte Verbundenheit – und steigen einmal im Jahr noch zusammen in den Achter: „Riemen los!“, heißt es dann, und vom Schlössle geht es ab auf die 13 Kilometer lange Runde zwischen den beiden Wehren von Cannstatt und Hofen.

Beim Bootshausbau waren alle in einem Boot

„Alle in einem Boot“ war aber auch das Motto beim Bau des Bootshauses. Die eine Hälfte der Kosten übernahm die Stadt, die andere brachten die Vereinsmitglieder per Spenden auf: 200 000 D-Mark, also knapp 100 000 Euro. Hinzu kamen 10 000 Stunden an Eigenleistung: „Erst haben wir trainiert, dann ging es auf die Baustelle“, erzählen sie. Vom Rohbau abgesehen, wurde fast alles selbst gemacht. Fenster eingebaut, die Heizung, die Elektrik. Der Ehrenvorsitzende Theodor Petera sagt: „Wir haben im Winter durchgearbeitet, wir wollten im Frühjahr zum Saisonstart startklar sein.“ Das hat geklappt. Weil aber 1965 manches noch provisorisch war, wurde dieser Start nicht extra gefeiert: „Das holen wir jetzt a bissle nach“, lacht er.

Bevor die Fete im Sixties-Flair losgeht, führt das Vorstandsmitglied Christian Szonn noch schnell durch Gebäude, dessen Haupthaus im Erdgeschoss Umkleiden und Duschen beherbergt, im Obergeschoss ein großzügiges Restaurant und Raum für Geselligkeit. Dann aber geht es in die Schatzkammer des Vereins, in die große Bootshalle, wo Skulls und Riemen für 130 Ruderplätze akkurat die Wand zieren. Und natürlich „ein ganzer Haufen Boote“. Vom „alten Schätzchen“ aus Holz bis zu einer Achter-Neuanschaffung, „für die auch ein Kleinwagen zu haben wäre“. Schätze, die Szonn mit leuchtenden Augen präsentiert: „Rudern ist ein bisschen wie Ballett, jede Fahrt ein kleiner Tanz mit dem Neckar.“ Und am Ufer leuchtet das Schloss.