Am Tag der Deutschen Einheit freuen sich die Wirte und Schausteller über den großen Besucherandrang. Doch unter der Woche herrscht bei manchen Betrieben Flaute. Einige Schausteller wünschen sich mehr Familien und weniger Ballermann.

Stuttgart - Stuttgart, einig Partystadt: am Tag der Deutschen Einheit stehen die Besucher schon in den frühen Morgenstunden vor den Festzelten an. Bei Hans-Peter Grandl ist das Zelt bereits am Samstagvormittag voll, es ist der Startschuss für den vorläufig besucherstärksten Tag beim diesjährigen Cannstatter Volksfest. Geschätzt 350 000 Menschen tummeln sich zwischen Achterbahnen, Losbuden und Bierzelten. Der Andrang ist eine Herausforderung: für den öffentlichen Nahverkehr, für Rettungskräfte und die Polizei. Gegen 16 Uhr ist es drangvoll eng am Cannstatter Bahnhof, der vorübergehend von der Bundespolizei gesperrt wird. Auch die Mercedesstraße wird eine halbe Stunde lang abgeriegelt, damit der Verkehr abfließen kann. Doch im Gegensatz zum Vorjahr muss der Wasen nicht wegen Überfüllung geschlossen werden, und die Polizei bilanziert: keine besonderen Vorkommnisse.

 

Wer sich an diesem Samstag im Strom der Menschenmenge über den Wasen schiebt, glaubt womöglich, dass die Schausteller eine Lizenz zum Gelddrucken besitzen. Doch viele kleine und mittlere Betriebe auf dem Volksfest verspüren in diesem Jahr keine Bierseligkeit. „Unter der Woche mögen die Zelte voll sein“, erzählt Thomas Koch, „aber die Straßen dazwischen sind leer.“ Koch, der Betreiber von Wurst-Koch, kennt sich aus mit dem Auf und Ab eines Schaustellerlebens. „Wir sind der älteste Gastrobetrieb auf dem Wasen, nächstes Jahr feiern wir unser 80-Jahr-Jubiläum.“ Er beobachte, dass immer mehr ältere Leute das Volksfest meiden, der Wasen werde immer mehr von den Festzelten dominiert, „und diese Zelte sind heute Großraumdiscos mit enormer Lautstärke“.

Schausteller wünschen sich mehr Familien

Im Schatten der großen Zelte haben einige kleinere Betriebe in diesem Herbst offenbar Probleme. „Da ist die Stimmung sehr verhalten, wenn ich mich mit meinen Kollegen unterhalte, wird ganz offen darüber gesprochen“, sagt Koch, der selbst mit seinem Gastronomiebetrieb nicht auf das laute Partykarussell aufspringen will. „Wer weiß schon, wie lange dieser Trend anhält.“

Kritische Töne kommen auch von Peter Ahrend, dessen Vesperhaus in der Nähe des Göckelesmaier-Zeltes steht. „Man kann bei den Zelten schon von einer Verballermannisierung sprechen. Meiner Beobachtung nach kommen an einigen Tagen weniger Familien mit Kindern – das ist für viele kleinere Schausteller ein Problem.“

Kürzlich hat sich Ahrend mit einem Kollegen unterhalten, der unter der Woche abends Kassensturz machte und lediglich 50 Euro eingenommen hatte. Peter Ahrend sieht auf dem Wasen einen Verdrängungsprozess. Einige der großen Festzelte hätten ihren Logistikbereich vergrößert – auf Kosten von kleineren Betrieben in ihrer Nachbarschaft. „So hat man einem Crêpes-Stand beispielsweise den Platz für einen Kühlwagen gestrichen, den dieser brauchte.“ Um auf dem Wasen zu bestehen, müssen sich die kleineren Schausteller immer wieder etwas Neues einfallen lassen, um ihr Publikum zu finden: Peter Ahrend probiert es in diesem Jahr mit einer Halal-Wurst, die bei jungen Muslimen offenbar gut ankommt.

Nach der Talsohle wieder erfolgreich

„Wer auf dem Wasen erfolgreich sein will, muss sich an den Wünschen der Kundschaft orientieren“, sagt Mark Roschmann. Roschmann ist der Vorsitzende des Schaustellerverbands Südwest. Er selbst betreibt das Kinderfahrgeschäft „Crazy Cars“ und hört auch von den Sorgen seiner Kollegen. „Die Wochentage sind für fast alle schwierig.“ Tatsächlich erleben viele Schausteller eine wirtschaftliche Achterbahnfahrt. „Für Boxauto-Betriebe und Losbuden war es schwer, doch jetzt kommen sie wieder.“ Dagegen litten derzeit viele Kindesfahrgeschäfte, beispielsweise das Bälle- und Pfeilewerfen.

„Aber langfristig gesehen geht es für problematische Branchen nach einer Talsohle auch wieder aufwärts“, so Rossmann. „Als Schausteller musst du auf dem aktuellen Stand bleiben, aber ich halte nichts davon, aus Aktionismus die Sparte zu wechseln. Sonst würden irgendwann alle gebrannte Mandeln verkaufen, falls das gerade angesagt ist.“