Jedes Jahr fahren die Deutschen mehr als 450 Milliarden Kilometer mit dem Auto, dennoch legen immer weniger Wert auf ein eigenes Fahrzeug. Carsharing heißt das Zauberwort. Ein Vergleich der Platzhirsche Car-2-go (Daimler) in Stuttgart und Drive-Now (BMW) in München.

Stuttgart - Jedes Jahr fahren die Bundesbürger mehr als 450 Milliarden Kilometer mit dem Auto – eine Strecke 1500 Mal zur Sonne und zurück. Diese Zahl ergibt sich aus Daten des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung in Berlin. Und die Anzahl der zurückgelegten Kilometer steigt weiter, wie die Studie Mobilität in Deutschland zeigt. Dennoch legen immer weniger Menschen Wert auf ein eigenes Fahrzeug. Carsharing heißt das Zauberwort. Die Branche der Anbieter von Autos zur gemeinschaftlichen Nutzung ist im vergangenen Jahr stark gewachsen. Die Zahl der verfügbaren Autos in Deutschland ist von 7000 auf über 11.000 Pkws angestiegen. Bei den stationsunabhängigen Anbietern hat sich die Anzahl fast vervierfacht, auf 4500 Fahrzeuge. Stationsunabhängiges Carsharing bedeutet, dass Nutzer die Mietautos überall im Geschäftsgebiet abholen und wieder parken können. Dieses Konzept eignet sich vor allem für Innenstädte, denn dort ist sichergestellt, dass die Kunden ein Mietauto in ihrer Nähe finden.

 

Diese neue Form des Carsharings gibt es in Deutschland seit 2008, als der Daimler-Konzern mit dem Mietwagenunternehmen Europcar ein Pilotprojekt startete. Daraus entwickelte sich der Carsharinganbieter Car-2-go. Dessen direkter Konkurrent heißt Drive-Now, entstanden 2011 als Kooperation von BMW und Sixt. Der Kleinste auf dem Markt der stationsunabhängigen Anbieter ist Multicity. Die Tochter von Citroën und DB Rent ist bisher aber nur in Berlin verfügbar und dort mit insgesamt 350 Fahrzeugen am Start. Für den gesamtdeutschen Markt der stationsunabhängigen Carsharinganbieter ist das Unternehmen von untergeordneter Bedeutung.

Fünf Prozent der BMW-Autos sind elektrisch angetrieben

Die Kunden von Drive-Now können zwischen Mini-Modellen und Varianten der Einser-Serie von BMW wählen. Bei gutem Wetter können sie zum Beispiel eine Spritztour mit dem Cabrio unternehmen. Der Konzern hat insgesamt 2430 Fahrzeuge im Einsatz – in fünf Städten in Deutschland und in den Vereinigten Staaten, in San Francisco. Die Car-2-go-Flotte besteht aus rund 10 000 Smart Fortwo, die an 25 Standorten in Europa und Nordamerika verfügbar sind. Von Ulm über Washington D.C., von Paris über Mailand – überall fahren die Autos der Daimler-Tochter. Gemessen an der Zahl der Fahrzeuge und Städte ist Car-2-go etwa viermal so groß wie der Konkurrent aus München.

Bei alternativen Antrieben hat Car-2-go die Nase vorn. Der Anteil von Elektro-Autos am Fuhrpark liegt bei über zehn Prozent. Der größte Standort für alternativ angetriebene Autos ist Stuttgart mit 500 E-Smart-Fahrzeugen. Danach folgen Amsterdam und San Diego mit jeweils 300 Autos. Drive-Now verfügt über weniger Elektromobile – die 130 BMW Active-E sind in Berlin, München und San Francisco unterwegs. Rund fünf Prozent der Autos werden demnach elektrisch angetrieben.

Cabriofahrer müssen mehr bezahlen

Vergleicht man die reinen Minutentarife, ist Car-2-go mit 29 Cent pro Minute etwas günstiger als Drive-Now. Dort kostet die Fahrt 31 Cent pro Minute. Wer den BMW X1 fahren möchte, legt drauf. 34 Cent pro Minute kostet der Wagen mit Allradantrieb. Auch Cabriofahrer müssen während des Sommers mehr bezahlen. Wer das Auto zwischendurch parkt, gibt bei beiden Anbietern weniger aus: 19 Cent pro Minute bei Car-2-go und 15 Cent bei Drive-Now. Für eine Stunde Fahrt im Smart zahlt ein Carsharer 14,90 Euro. Bei BMW und Mini entrichtet er je nach Tarif 16 Euro bis 16,20 Euro. Die Tagestarife unterscheiden sich noch deutlicher: Bei Car-2-go werden 59 Euro fällig. Drive-Now-Kunden müssen 89 Euro zahlen. Wer als Einzelperson unterwegs ist, für den lohnt sich folglich das Car-2-go-Fahrzeug. Sobald drei oder mehr Personen gemeinsam reisen ist das Angebot der Münchner günstiger. Hier kann der Zweisitzer aus dem Daimler-Konzern preislich nicht mithalten. Das schadet dem Konzept nur begrenzt. Laut der Studie Mobilität in Deutschland sitzen bei jeder Fahrt im Privatwagen durchschnittlich lediglich 1,5 Personen in einem Auto.

Weltweit fahren mehr Menschen in einem Smart der Carsharing-Tochter von Daimler als in einem Drive-Now-Fahrzeug. Car-2-go hat nach eigenen Angaben 600.000 Kunden. Drive-Now hat die 200.000er Marke zum Jahreswechsel durchbrochen. Laut Presseabteilung des Unternehmens sind gegenwärtig 220.000 Mitglieder angemeldet. Und der Unterschied ist in Wahrheit vielleicht noch größer. Das Unternehmen fordert seine Kunden auf, einmal pro Jahr den Führerschein vorzuzeigen. Wird das nicht fristgerecht erledigt, wird der Status des Mitglieds auf inaktiv gesetzt. Somit werden Kunden, die über längere Zeit nicht fahren, auch nicht mehr von der Statistik erfasst.

Eine Million Kunden bis Jahresende lautet das Ziel

Bei der Frage nach der Profitabilität hält sich Drive-Now bedeckt. Die Pressestelle möchte dazu keine Angaben machen. Car-2-go ist offener: Die Gesamtgruppe mache noch keinen Gewinn, sei aber auf dem besten Weg, erklärt der Pressesprecher. Er sagt: „In zwei bis drei Jahren wollen wir wirtschaftlich erfolgreich sein.“ Auch von oben gibt es Ziele: Bis 2020 will Daimler-Chef Dieter Zetsche laut „Auto Motor und Sport“ mit Angeboten wie dem Carsharing rund eine Milliarde Umsatz machen.

Car-2-go war der erste stationsunabhängige Anbieter von Carsharing in Deutschland und hat mehr Autos, Städte und Kunden als sein Wettbewerber. Nach Angaben des Pressesprechers möchte Car-2-go bis Ende des Jahres die Marke von einer Million Kunden erreichen. Drive-Now plant dieses Ziel nach eigenen Angaben erst für 2020. Auch bei den Elektrofahrzeugen ist die Daimler-Tochter ihrer Konkurrenz voraus. Drive-Now hingegen bietet eine größere Vielfalt und lohnt sich bei Fahrten mit mehreren Personen oder viel Gepäck. Der Markt wachse so stark, dass er mehrere Anbieter tragen könne, sagt der Car-2-go-Sprecher. Andreas Schaaf, Drive-Now-Geschäftsführer äußert sich ähnlich: „Der Markt ist gerade im Entstehen und bei weitem noch nicht ausgeschöpft.“ Wenn sie Recht behalten, sind das gute Aussichten für alle Parkplatzsuchenden. Der Carsharing-Bundesverband schätzt, dass ein Carsharing-Auto bis zu acht Fahrzeuge ersetzt. Damit würde sich die Suche nach einem Abstellplatz fürs Auto bald wieder einfacher gestalten.