Der katholische Caritasverband in Stuttgart stellt verstärkt Muslime ein und erschließt sich damit neue Kunden. Dennoch muss die Mehrheit der Mitarbeiter der katholischen Kirche angehören.

Stuttgart - Wenn die Moschee der Deutsch-Türkischen Union in Feuerbach eine Ausbildungsmesse veranstaltet, ist inzwischen auch die Caritas mit einem Stand vertreten. Der katholische Verband wirbt dann zum Beispiel für seine Ausbildungsstellen in der Altenhilfe. Hintergrund für den katholischen Stand in einem muslimischen Gebetshaus ist die interkulturelle Öffnung, zu der sich der Stuttgarter Verband bereits vor vier Jahren verpflichtet hat. Offiziell ist der Prozess längst abgeschlossen, in einigen Bereichen mit Erfolg, in anderen verlaufen die Veränderungen eher schleppend. „Wir müssen ganz nüchtern sehen, wenn wir als Sozialunternehmen eine wachsende Gruppe in der Bevölkerung nicht erreichen, können wir irgendwann nicht mehr bestehen“, begründet Ulrich Ahlert, der Direktor der Stuttgarter Caritas, die bewusste Öffnung, die für den katholischen Verband durchaus ihre heiklen Seiten hat. „Natürlich haben wir unseren Auftrag immer im Sinne der Kirche zu erfüllen, und natürlich sind wir im Grundsatz auch an die kirchliche Dienstordnung gebunden“, so Ahlert.

 

Türkischstämmige Migrantin soll Kontakt zu Muslimen halten

Trotz kirchlicher Einstellungsrichtlinien hat das Stuttgarter Sozialunternehmen mit insgesamt 1450 Mitarbeitern in den drei vergangenen Jahren verstärkt Muslime eingestellt. Ein Beispiel ist eine türkischstämmige Migrantin, deren Aufgabe es ist, Kontakte zu muslimischen Gemeinden und anderen ausländischen Vereinen aufzubauen. Ihrem Engagement ist auch die Beteiligung an den Ausbildungsmessen der Moscheegemeinden zu verdanken. „Wir gehen aber auch in die Vereine, um unsere Angebote vorzustellen, mal sind es die Suchthilfen, mal die Altenhilfeeinrichtungen“, erklärt Fritz Weller, der Leiter der Abteilung Migration. Er ist überzeugt, dass sich die Kontakte auf lange Sicht auszahlen, nicht nur unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten: „Wir wollen schließlich auch von Migranten als kompetenter Partner wahrgenommen werden. Unser Auftrag als Wohlfahrtsverband umfasst alle Menschen unabhängig ihrer Herkunft, dafür bekommen wir auch staatliche Gelder.“

Dass sich die interkulturelle Öffnung unmittelbar auszahlen kann, zeigt die Einstellungspolitik im Kindergästehaus, einer Einrichtung für behinderte Kinder und ihre Familien. „Wir haben festgestellt, dass muslimische Familien die Einrichtung überhaupt nicht genutzt haben“, erzählt Weller. Daraufhin hat der Verband in dem Kindergästehaus einen muslimischen Sozialarbeiter als Türöffner eingestellt. Mit Erfolg: seither melden immer mehr muslimische Familie ihre behinderten Kinder zu den Betreuungsangeboten an, die das Kindergästehaus an den Wochenenden und in den Ferien macht. „Ein Sozialarbeiter aus dem eigenen Kulturkreis schafft Vertrauen“, erklärt Weller.

Immer die kirchliche Dienstordnung im Blick

Einen Widerspruch zu den Richtlinien zur Einstellung neuer Mitarbeiter, die die Diözese vorgibt, sieht auch der Caritas-Direktor Ulrich Ahlert nicht – obwohl noch immer für viele Funktionen die Zugehörigkeit zur katholischen Kirche oder zumindest zu einer im Arbeitskreis christlicher Kirchen organisierten Gemeinde Voraussetzung ist. „Es sind Ausnahmen dann möglich, wenn an einer Stelle interkulturelle Kompetenzen gefragt sind“, sagt Ahlert und nennt als Beispiel den Bereich der Mobilen Jugendarbeit. „Wir betreuen viele Migranten anderer Religion, also brauchen wir auch Mitarbeiter aus dem jeweiligen Kulturkreis, um unseren Auftrag zu erfüllen.“ Diese Freiheit lässt die Dienstordnung auch zu, unter einer Bedingung: die Mehrheit der Mitarbeiter in der Einrichtung muss der katholischen Kirche angehören. Voraussetzung ist auch, dass die Mitarbeiter anderer Religion ihre Aufgaben im Sinne der Kirche erfüllen.

Dass die Öffnung auch auf halbem Weg stecken bleiben kann, mussten die Verantwortlichen in der Altenpflege feststellen. Während der Migrantenanteil beim Personal beständig wächst, kommen nur wenige ältere Zuwanderer ins Pflegeheim. Im Haus Adam Müller-Guttenbrunn im Stadtteil Rot zum Beispiel haben die Mitarbeiter ein Handbuch erstellt, in dem aufgeführt ist, auf welche religiösen und kulturellen Bedürfnisse im Alltag Rücksicht genommen werden kann. Zusammengetragen wurden auch Listen von Ärzten mit ausländischen Wurzeln, von Geistlichen anderer Religionen und von spezialisierten Bestattungsinstituten. „Bei Bedarf rufen wir einen Imam“, sagt Heimleiter Joachim Treiber.

Der Ernstfall ist noch nie eingetreten, Treiber musste noch nie einen muslimischen Geistlichen um Beistand bitten. „Wir haben nur vereinzelt Muslime im Haus, und die wenigen, die kommen, leben ihren Glauben nicht besonders streng.“ Auch insgesamt ist der Migrantenanteil unter den hundert Bewohnern mit 20 Prozent eher niedrig – und dass obwohl 60 Prozent der Mitarbeiter aus Zuwandererfamilien stammen. Für den Bereichsleiter Kurt Greschner bleibt da nur eine Hoffnung: „Wenn die Enkel bei uns arbeiten, kommen vielleicht auch die Senioren zu uns ins Pflegeheim.“