Daimler scheitert mit seinem Automietsystem Car2go in Ulm und damit in jener Stadt, in der das Geschäftsmodell im Jahr 2009 an den Start ging. Bei der Ulmer Kommunalpolitik herrscht Enttäuschung.

Politik/Baden-Württemberg: Rüdiger Bäßler (rub)

Ulm - Für den weltweiten Rollout einer brandneuen Geschäftsidee hatte sich Daimler im Jahr 2009 eine Menge einfallen lassen. Der Münsterplatz wurde freigeräumt, um die weiß-blaue Fahrzeugflotte der Marke Smart bildmächtig ins Szene zu setzen. Es gab eine Pressekonferenz oben im Daimler-Forschungszentrum auf dem Eselsberg, als deren Topgast erschien Jerome Guillen. Er war damals einer der führenden Köpfe aus dem Think Tank des Autobauers und der Freigeist, der die Idee, die kleinen Stadtwagen des Konzerns für ein urban verankertes Mietgeschäft herzunehmen, wesentlich mit erfand. Ulm, sagte Guillen damals, sei das ideale Spielfeld zur Erprobung seiner Ideen.

 

Schon im November 2010 zog Aufsteiger Guillen von Daimler weiter zum Autobauer Tesla nach Kalifornien. Überraschend hat Daimler Ende der Woche das Scheitern des gesamten Geschäfts in Ulm bekannt gegeben. Zum Ende des Jahres werde der Betrieb eingestellt, steht in einer Mitteilung des Unternehmens. Bereits kurz vor den Weihnachtstagen werde damit begonnen, die Fahrzeuge – es waren zuletzt 200 – aus der Flotte zu nehmen. „Das ist schon so, dass wir traurig darüber sind“, sagte ein Car2go-Sprecher am Donnerstag. Aber: „Wir sind jetzt in einer Phase, wo sich alles wirtschaftlich tragen muss. Ulm ist zu klein für ein solches Projekt.“

Zwar gab es in Ulm bald nach Geschäftsbeginn 2009 nach Daimler-Angaben 20 000 registrierte Kunden – allerdings schmolz deren Zahl bald wieder dahin, nachdem die Startrabatte ausgelaufen waren. Außerdem befanden sich viele Werksangehörige unter den Nutzern, die ohnehin verbilligt fuhren. Langfristig half es auch nichts, dass die Stadtverwaltung Ulm zusammen mit ihrer Parkraum-Betriebsgesellschaft beste innerstädtische Parklagen für die Smart-Mietautos frei räumte und gesondert markierte – auf dass stets genügend Fahrzeuge für die Kundschaft griffbereit wären.

Bei Ulmer Kommunalpolitik herrscht Enttäuschung

Im Jahr 2012 zog Daimler die ersten Elektro-Smarts der Mietflotte hinzu, baute Vernetzungsmöglichkeiten mit Smartphones ein. Doch die Attraktivität schien ausgereizt. Was blieb, war eine Preiserhöhung des Unternehmens von 29 auf 31 Cent pro Fahrminute. Das wollte die Kundschaft nicht mehr bezahlen. Über die Höhe des Verlustes in Ulm macht Daimler keine Angaben. Vielmehr heißt es nun, das Scheitern in Ulm sei immer als eine Möglichkeit betrachtet worden. Schließlich, so der Firmensprecher, sei Ulm reiner „Pilotstandort gewesen, den wir nicht unter dem Aspekt der Wirtschaftlichkeit gestartet haben.“

In der Ulmer Kommunalpolitik herrscht Enttäuschung über den Schritt des Autobauers. Die grüne Stadtratsfraktion zeigte sich „nicht gerade erfreut“, wie deren Gemeinderätin Denise Niggemeier sagte. Die Grünen fordern von der Stadtverwaltung, „schnellstmöglich für eine Nachfolge zu sorgen“. Ein alternatives Carsharingunternehmen – notfalls auch zum Teil steuerfinanziert – müsse her, wenn alles Reden von der Mobilität der Zukunft nicht nur „leere Floskel“ bleiben solle. Vieles könne auch besser gemacht werden. „Der Datenschutz war bei Car2go leider sehr löcherig“, so Niggemeier.

Der Nukleus des Mietgeschäfts ist pleite, aber weltweit breitet sich Car2go sehr stark aus. In 29 Großstädten Europas und Nordamerikas sind die Smart-Flotten inzwischen unterwegs, insgesamt 12 000 Fahrzeuge. Mehr als 900 000 Kunden seien aktuell registriert, teilt Daimler mit. In den meisten Städten ist das Mietmodell jedoch noch ein Verlustgeschäft. Weitere Autohersteller halten mit eigenen Mietflotten dagegen, in Deutschland ist die Bahn noch mit ihren „Flinkster“-Fahrzeugen auf dem Markt.

Einen Rest von Car2go soll es in Ulm immerhin auch von 2015 an geben. Die Softwarefirma Daimler TSS auf dem Ulmer Eselsberg werde auch weiterhin „wesentliche Teile der Softwareentwicklung für Car2go erbringen“, heißt es.