Der Rap-Rock-Popmusiker Casper staunt selbst, dass er eine ziemlich gut gefüllte Stuttgarter Schleyerhalle mitreißen kann. Es ist sein bisher größtes Konzert der Tour. Am Mittwochabend hat er alten Bombast und neue Poesie gespielt – ein Vergnügen.

Stuttgart - Eine gute Stunde nach Ende des Konzerts twittert Casper: "Ich verneige mich vor Stuttgart. Und meine das todernst." Ja, das glauben wir ihm sogar.

 

Den ganzen Abend schon hält der Musiker, der auf der Bühne einer ziemlich gut gefüllten Schleyerhalle steht, immer wieder inne. Unten springen Tausende im Takt auf und ab, die Arme hoch. „Nicht zu fassen“, ruft Casper mit seiner heiser-rauen Stimme. „Hier sind so viele Menschen.“ Tatsächlich hat Casper auf seiner aktuellen Tour bisher in keiner größeren Halle gespielt, und noch vor zweieinhalb Jahren passten nur 1500 Zuschauer ins LKA in Stuttgart-Wangen. Er erzählt von noch früheren Zeiten, in denen er zusammen mit Marteria und den Orsons „vor 20 Leuten“ auftrat.

Casper gibt den Antreiber: „Der ganze Laden flippt aus!“

Und jetzt das. Casper, geboren 1982 in der ostwestfälischen Provinz, aufgewachsen im Hinterland von Georgia, USA, längst wohnhaft in Berlin, ist neben Cro und Haftbefehl der zurzeit populärste deutsche Rapper. Wobei das Wort Rap seine Musik nicht mehr so klar definiert wie noch vor Jahren. Casper ist und bleibt in der Rapmusik verwurzelt, heute kommt seine Band aber kaum mehr ohne Gitarre, Schlagzeug und Trompete aus. Und er betreibt echten Sprech-Gesang. Eindreiviertel Stunden lang.

Natürlich hat er den alten, schnellen, lauten Bombast dabei: „Der Druck steigt“ und „Die letzte Gang der Stadt“ vom 2011er-Album „XOXO“. Aber auch die Trauerballade „Michael X“. Er spielt „Ganz schön okay“, was maximal ganz okay ist, eher banal. Und klar, „So perfekt“. Casper gibt fortwährend den Antreiber: „Alle springen! Der ganze Laden flippt aus!“ Für viele ist das der Höhepunkt des Konzerts – und vielleicht auch von Caspers bisherigem Werk.

Glücklich-erschöpft vom Singen und Springen

Dabei haben andere Stücke viel schönere Melodien. „Auf und davon“ zum Beispiel, und die drei ganz großen Singles „Im Ascheregen“, „Hinterland“ und „Jambalaya“ aus dem im September 2013 erschienenen Album. Der ebenfalls neue Indie-Song „Alles endet (aber nie die Musik)“ ist stilistisch weit entfernt vom noch in die Gangsta-Schublade passenden „Mittelfinger hoch“, das Casper 2009 zusammen mit Kollegah und Favorite auf der Compilation „Chronik II“ veröffentlicht hat – und immer noch knallt.

Das Spektrum ist so viel breiter geworden, die Töne oft nachdenklich statt aggro, poetischer.

Fast alles ist am Mittwochabend ein Vergnügen. Offenbar von beiden Seiten. Denn wenn Casper am Ende kopfschüttelnd vor Rührung und glücklich-erschöpft vom Springen „hundertmillionenfach Danke“ sagt, klingt das nicht nach den branchenüblichen Plattitüden.

Fast alle Konzerte der aktuellen Tour sind ausverkauft. Es gibt einige Zusatzauftritte, zum Beispiel im Münchner Zenith. Nach Stuttgart kommt Casper auch noch mal: Er ist Headliner der Hip-Hip-Open am 5. Juli im Reitstadion.