Der Boom der Kochshows ist vorbei - trotzdem sucht der Küchenchef Tim Raue den "Meisterkoch!" bei Sat 1.

Berlin - Nein, versichert Tim Raue, er habe nichts gegen Kochshows. Aber selbst vor der Fernsehkamera den Kochlöffel schwingen? Der Iggy Pop unter Berlins Sterneköchen verdreht die Augen. Wenn sich namhafte Kollegen im ZDF in nur einer Stunde gegenseitig ihre neuesten Kreationen vorkochen, habe das mit dem Alltag in einer Sterneküche nicht das Geringste zu tun, sagt Raue: "Bei uns wird richtig geschuppert - von morgens bis abends." Dass sich der 36-jährige Kreuzberger jetzt für Sat1 doch die Schürze umbindet, sei kein Widerspruch zu seinem Credo. Schließlich, sagt er, erlebe man ihn nicht beim Kochen, sondern beim Genießen.

Der Feinschmecker löffelt dann aus, was ihm Sat 1 eingebrockt hat. "Deutschlands Meisterkoch" heißt das neue Format, mit dem der Sender den Spagat zwischen Koch- und Castingshow probiert. Mit seinen zwei Kollegen Nelson Müller und Thomas Jaumann soll der raubautzige Berliner unter 1400 Kandidaten denjenigen finden, der, so formuliert es Raue, das Kunststück schafft, ihm das Herz und den Gaumen aufgehen zu lassen.

Die Branche sieht dem neuen Format gespannt entgegen


Nun gibt es kaum eine unglamourösere Tätigkeit als das Hacken von Zwiebeln. Dementsprechend gespannt sieht die Branche diesem neuen Format entgegen. Der Boom der Kochshows ist vorbei. Zwar darf RTL auf ein neues Quotenwunder hoffen, wenn Christian Rach, der erfolgsverwöhnte "Restauranttester", am 30. August eine "Restaurantschule" eröffnet und unter zwölf Arbeitssuchenden mit bewegter Vergangenheit einen neuen Koch aussiebt. Schicksal ist noch immer das Salz in der Suppe. Zwar bestreiten die großen TV-Sender immer noch sechzig Stunden pro Woche mit neuen Rezepten von Muttern ("Küchenschlacht"), Tim Mälzer ("Tim Mälzer kocht!") oder Cornelia Poletto ("Polettos Kochschule"). Ja, sogar der schon flügellahm gewordene Coq au vin aus Alfred Bioleks Küche wird immer noch in den Dritten Programmen wiederbelebt.

Doch die Quoten bröckeln. "Schuld daran ist das Fernsehen", sagt Wolfgang Schuldlos, der Geschäftsführer der Münchener Agentur Zenithmedia, die TV-Werbezeiten an Hersteller von "fast moving consumer goods" verkauft, wie es im Marketingjargon heißt. Nach Ansicht von Schuldlos habe die inflationäre Zunahme gleichartiger Kochshows den Zuschauern nachhaltig den Appetit verdorben. Im Grunde seien solche Sendungen potenziell die besten Werbeträger für Unternehmen, die täglich neue Kaufimpulse setzen müssen: "Es ist angenehmer, im Umfeld von Tomatensoße zu werben als in Horrorfilmen: Da kotzt Ihnen garantiert keiner ins Bild." Doch wenn die Formate austauschbar werden, plage den Zuschauer eben ein Völlegefühl. Dann sei es an der Zeit, neue Rezepte auszuprobieren. Das ZDF versucht es gerade mit der Quizvariante. Bei den "Topfgeldjägern" müssen zwei gegnerische Teams beim Zwiebelhacken noch die Frage beantworten, was Nasi Goreng ist. Gebratener Reis. Sonst gibt es keinen Portwein zur Veredelung der beschwipsten Feigen zum Dessert.