Das Berliner Verwaltungsgericht erteilt der umstrittenen Neckarfahrt von 15 Castoren mit Brennelementen grünes Licht. Sie sollen von Obrigheim ins Neckarwestheimer Zwischenlager gebracht werden. Dort will man sich weiter wehren.

Baden-Württemberg: Eberhard Wein (kew)

Neckarwestheim/Berlin - Der ersten Flussfahrt von Atommüll in Deutschland steht nichts mehr im Weg. Das Berliner Verwaltungsgericht hat dem umstrittenen Transport von 15 Castorbehältern aus dem stillgelegten Kernkraftwerk in Obrigheim (Neckar-Odenwald-Kreis) nach Neckarwestheim (Kreis Heilbronn) zugestimmt. Die im Mai vom Bundesamt für kerntechnische Entsorgungssicherheit (BfE) erteilte Transportgenehmigung auf dem Neckar dürfe sofort vollzogen werden, entschieden die Berliner Richter. Der Eilantrag der Gemeinde Neckarwestheim gegen die Erlaubnis blieb ohne Erfolg.

 

Der Bürgermeister Jochen Winkler (parteilos) kündigte an, mit seinem Gemeinderat über eine Beschwerde beim Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg zu reden. Dies hätte aber keine aufschiebende Wirkung. „Wir befürchten, dass Fakten geschaffen werden“, sagte Winkler. Der Kraftwerksbetreiber EnBW hat schon im Mai in Obrigheim damit begonnen, die ersten der gegenwärtig noch in einem Abklingbecken lagernden 342 Brennelemente für den Transport zu verpacken.

Bündnis kündigt Widerstand an

Insgesamt sind fünf Fahrten mit je drei Castoren geplant. Der erste Transport soll offenbar schon in der kommenden Woche stattfinden. Das Unternehmen machte aus Sicherheitsgründen keine Angaben zu den Flussfahrten. Das Bündnis „Neckar castorfrei“ kündigte Proteste an. „Wir planen Mahnwachen und Demonstrationen in Gundelsheim und Heilbronn“, sagte der Sprecher Herbert Würth.

Aus Sicht der Gemeinde seien bei der Erteilung der Transportgenehmigung „nicht alle sicherheitsrelevanten Aspekte“ beachtet worden, sagte Bürgermeister Winkler. „Zudem bezweifeln wir, dass das Zwischenlager Neckarwestheim als standortnah für das Kernkraftwerk Obrigheim gewertet werden kann.“ Dies ist eine Vorgabe im bundesdeutschen Atomgesetz.

Gericht prüft die Unterlagen nicht

Das Gericht räumte ein, die Rechtmäßigkeit der Genehmigung sei im Eilverfahren nicht zu klären. „Ohne Vorlage des auch dem Gericht aus Geheimhaltungsgründen nicht zugänglich gemachten Sicherheitskonzepts ist dies nicht möglich“, so die Richter. Allerdings bestehe ein „erhebliches öffentliches Interesse an einem zeitnahen Rückbau des Kernkraftwerkes in Obrigheim“. Eine denkbare Verletzung der gemeindlichen Selbstverwaltungsgarantie sei daher zumutbar.

Ein Sprecher des Stuttgarter Umweltministers Franz Untersteller (Grüne) begrüßte die Entscheidung. Anstatt wie bisher an drei Standorten im Land müssten die hochradioaktiven Abfälle dadurch nur noch an zwei Orten, nämlich in Philippsburg (Rhein-Neckar-Kreis) und Neckarwestheim, zwischengelagert werden. Obrigheim ist das älteste Atomkraftwerk in Deutschland und ging 2005 vom Netz. Der Rückbau hat begonnen. Die deutlich jüngeren Meiler in Philippsburg und Neckarwestheim laufen noch bis 2021 und 2022.

Schiff „praktisch unsinkbar“

Der Atommülltransport auf einem Fluss sei deutschlandweit zwar noch ohne Beispiel. Allerdings sei das Schiff „praktisch unsinkbar“, hatte der Chef der Kernkraft-Gesellschaft der EnBW, Jörg Michels, bereits im Mai versprochen. Die Landesvorsitzende des Umweltverbandes BUND, Brigitte Dahlbender, nannte die 80 Kilometer lange Neckarfahrt hingegen die „riskanteste Variante“. Das Zwischenlager in Neckarwestheim ist bis 2046 genehmigt. Ein Endlager ist bisher noch nicht in Sicht.