Alle seien damals ganz euphorisch gewesen, erinnert sich der ehemalige Gemeinderat im Nachbarort Gemmrigheim, Martin Lessow, der im GKN lange Jahre Personalleiter war. Die Kommunen hätten sich um das Kraftwerk gerissen. Und tatsächlich profitierte Neckarwestheim gewaltig. 1700 Einwohner hatte man damals. 40 Jahre später sind es 3800. Schuldenfrei ist der Flecken seit 1995, in Spitzenzeiten – 2003 etwa – nahm der Ort deutlich mehr als 15 Millionen Euro an Gewerbesteuern ein. Die Zeiten sind vorbei, für dieses Jahr kalkuliert der Bürgermeister Jochen Winkler noch mit 800 000 Euro. Die Gemeinde lebt von den Reserven, die mit 23 Millionen Euro immer noch üppig sind, obwohl der langjährige Schultes Horst Armbrust in den 90er Jahren 40 Millionen Mark verzockte wie Spielgeld. Sein Nachfolger Mario Dürr brachte seine Amtszeit damit zu, das Geld wieder zurückzubeschaffen. Winkler muss nach neuen Einnahmequellen suchen.

 

Markus Beckbissinger gräbt derweil nach Annabelle. Der Landwirt sitzt am Steuer des Traktors; seine Frau und seine Arbeiter stehen hinter ihm auf dem Vollernter und putzen die Kartoffeln. Im Hintergrund dampft der Kühlturm von Neckarwestheim II. Die Beckbissingers sind die nächsten Nachbarn des Kraftwerks, das noch bis 2022 am Netz bleibt. Beim letzten Castortransport über Straße und Schiene seien ihm die Demonstranten durch die Kartoffeln getrampelt. Insofern sei der Schiffstransport besser. Doch dass der radioaktive Müll überhaupt in seiner Nachbarschaft lande, gefalle ihm nicht. „Was kommt, bleibt“, prophezeit der 39-Jährige.

Die EnBW hat im Ort immer noch einen guten Namen

Genehmigt ist das Zwischenlager bis 2046. Doch ein Endlager ist nicht in Sicht. Das dauere bestimmt bis in die 2050er Jahre, mutmaßt Minister Untersteller. So gesehen hat der Obrigheimer Bürgermeister Achim Walter (FDP) das große Los gezogen. Noch vier Transporte, dann sind alle 342 Brennstäbe abtransportiert und der Rückbau von Deutschlands ältestem Atommeiler kann in die entscheidende Phase gehen. Am Ende könnte aus dem Kraftwerkgelände grüne Wiese oder aber ein ganz normales Gewerbegebiet werden, wie Walter hofft. Nebenan hat die Zukunft bereits begonnen. Ein Biomassekraftwerk hat die Stromproduktion aufgenommen: Sechs Megawatt gegenüber 355 beim Atomkraftwerk. „Aber vielleicht können wir auch mit der EnBW weiter arbeiten“, sagt Walter. Immer noch hat der Energieriese im Ort einen guten Namen.