Mit dem Instagram-Account Catcalls of Stuttgart wollen junge Frauen auf verbale sexuelle Belästigung aufmerksam machen und gehen im Kessel „ankreiden“.

Stadtkind: Laura Müller-Sixer (six)

Stuttgart – Der Begriff Catcalling bezeichnet die verbale sexuelle Belästigung – zum Beispiel durch Rufe, Sprüche, Beleidigungen, Einschüchterungen. Im Gegensatz zu Ländern wie Frankreich, Portugal, Belgien und den Niederlanden, ist Catcalling hierzulande noch immer legal. Schon im August 2020 forderte die Studentin Antonia Quell in ihrer Petition: „Es ist 2020. Catcalling sollte strafbar sein!“ Auch Ruth Herrmann und Esra Kizilaslan finden, dass sich etwas ändern muss. Mit ihrem Instagram-Account Catcalls of Stuttgart schließen sie sich den Vorbildern aus New York oder München an und machen verbale sexuelle Belästigungserfahrungen auch in ihrer Stadt sichtbar.

 

#stopptsexuellebelästigung

Ruth erinnert sich: „Ich bin auf andere Catcall-Accounts gestoßen und habe mich dann mit Esra und einer anderen Freundin zusammengetan.“ Gemeinsam wollen sie nicht nur ihre eigenen, sondern auch die Erfahrungen anderer mit dem Thema verbale sexuelle Belästigung teilen. „Uns ist es wichtig, ein Bewusstsein zu schaffen, dass so etwas täglich passiert. Außerdem soll es Betroffenen Mut machen – sie sind nicht allein damit!“

Verbale sexuelle Belästigung ankreiden

Auf ihrem Instagram Account erhalten sie täglich viele Nachrichten, überwiegend von jungen Frauen, auch von Kindern. „Die Jüngste war 12! Das hat uns wirklich geschockt.“ Mit den geteilten Storys gehen Ruth, Esra und co. auf die Straßen und schreiben sie auf – wenn möglich, genau an den Orten, an denen die Belästigung passierte. „Ankreiden“ nennen sie das. „Das Ankreiden ist sozusagen wie eine Reaktion auf das Erlebte. Oft fühlt man sich in der Situation unsicher, weiß nicht, wie man reagieren soll, will sich schützen. Dieses Gefühl von Hilflosigkeit wollen wir damit umwandeln!“

„Als wir mal auf der Königstraße ankreiden waren, sind zwei Frauen so im Alter von 50 Jahren auf uns zugekommen und wollten wissen, warum wir denn solche unschönen Dinge aufschreiben. Wir haben es dann erklärt und plötzlich hat sich die Situation sofort gewendet“, so Ruth. „Ja, sie meinten dann selbst, dass sie es gut finden, weil man ja manchmal so perplex ist, wenn einem das passiert und gar nicht weiß, was man sagen oder wie man reagieren soll. Also selbst diese beiden Frauen haben ähnliche Erfahrungen gemacht. Das zeigt einfach, wie wichtig es ist, darüber zu sprechen.“

Ankreiden im Lockdown

Mittlerweile kommen immer wieder neue Mitglieder dazu. Die Kennenlernen finden via Zoom statt und angekreidet wird entsprechend der geltenden Kontaktbeschränkungen. „Wir haben so viele Erfahrungen eingeschickt bekommen, dass wir ungern ganz stoppen möchten bis nach dem Lockdown. Natürlich entscheidet jede von uns selbst, ob sie das auch möchte, Sicherheit geht vor. Unser Team wächst aber, deswegen denke ich, dass wir das gut hinkriegen“, so Ruth.

Mit dem Start des Accounts hätte sich doch einiges geändert. „Vor allem der Input“, stellt Esra fest. „Wir haben wirklich viele tolle neue Projekte kennengelernt und kooperieren zum Beispiel auch mit dem Aktionsbündnis 8. März Stuttgart.“

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