„Mit Leib und Seele“ Mitglied der Partei: Der Ex-CDU-Vorsitzende Stefan Mappus möchte die Partei nicht verlassen – trotz lautem Raunen in den eigenen Reihen. Sein Nachfolger Thomas Strobl will über die Vorgänge rund um den EnBW-Ausschuss „brutalstmögliche Aufklärung“.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Andreas Müller (mül)

Stuttgart - Eigentlich will die Landtags-CDU an diesem Montag endlich wieder einmal auf Angriff spielen. Doch bevor der Fraktionschef Peter Hauk vor Medienvertretern über die grün-rote Bildungspolitik schimpfen kann, geht es ausführlich um die aktuelle Krise der eigenen Partei. Die ist jäh wieder aufgeflammt – vielleicht sogar heftiger denn je –, seit das Zusammenspiel zwischen Mitgliedern des EnBW-Untersuchungsausschusses und dem früheren Ministerpräsidenten Stefan Mappus sowie dessen abfällige Äußerungen über die Partei („Scheißverein“) bekannt wurden.

 

Noch vorige Woche hatte sich Hauk vergleichsweise milde über den Ausschussvorsitzenden Ulrich Müller geäußert, der Mappus wiederholt mit Informationen aus dem Gremium versorgt hatte. „Honorig“ sei dessen Rückzug, „größten Respekt“ verdiene er dafür. Dabei hatte der 68-jährige Ex-Minister nur die letzte Chance genutzt, das Amt freiwillig aufzugeben, bevor er dazu getrieben worden wäre. Zu eindeutig waren die Belege für den unstatthaften Kontakt mit Mappus in den von der Staatsanwaltschaft übermittelten Akten. Vom „großen Verlust“ durch den Abgang des Vorsitzenden, den Hauk noch vor fünf Tagen beklagt hat, ist jetzt keine Rede mehr. Eher beiläufig legt er Müller nahe, den Ausschuss am besten ganz zu verlassen.



Wieder einmal braucht der Fraktionschef länger als andere, um die Kurve zu bekommen. Die Richtung hat am Wochenende der Landesvorsitzende Thomas Strobl vorgegeben. Wo alte „Loyalitäten oder Freundschaften“ bestünden, sagte er, müsse man „auf eine Mitarbeit im Ausschuss ganz verzichten“. Das zielte womöglich nicht nur auf Müller, sondern auch auf den CDU-Obmann Volker Schebesta, der ebenfalls in einem regen Kontakt mit Mappus gestanden haben soll. Diese Erkenntnis hätte die Fraktion indes schon weitaus früher haben können. Von Anfang an war es angreifbar, dass sie die Schlüsselposten im EnBW-Ausschuss ausgerechnet mit engen Gefolgsleuten des einstigen Regierungschefs besetzte: Müller und Mappus arbeiteten jahrelang als Minister und Staatssekretär im gleichen Ressort zusammen, der Offenburger Schebesta – inzwischen zum Fraktionsgeschäftsführer aufgestiegen – wurde zu den besonders treuen Anhängern des Pforzheimers gezählt. Nun wird prompt gefragt, ob die scheinbar kritische Aufarbeitung des EnBW-Rückkaufs durch die beiden nicht nur ein abgekartetes (Theater-)Spiel gewesen sei.

Mappus: „Gute Lust, aus diesem Scheißverein auszutreten“

Nicht nur in diesem Punkt, auch beim Umgang mit dem Ex-Ministerpräsidenten schwenkt Hauk voll auf Strobls Kurs ein. Ins Mark getroffen hat es die Partei, was aus der in den Justizakten befindlichen SMS-Korrespondenz zwischen Mappus und seinem Bankerfreund Dirk Notheis durchsickerte: Er habe „gute Lust“, aus diesem „Scheißverein“ – gemeint ist die CDU – auszutreten, simste er nach beider Zeugenauftritt an Notheis. Seine Anwälte bestreiten zwar „abwertende Zitate“ über den Ausschuss, doch dieses erscheint gesichert.



Auch Strobl geht offenbar davon aus, dass es stimmt. Angesichts von Mappus’ Lage dürfe man „nicht jedes Wort auf die Goldwaage legen“, mahnte er zwar. Für den Fall, dass dies weiterhin seine Meinung sei, folgte indes eine kaum verklausulierte Aufforderung zum Parteiaustritt: „Es gibt keine Zwangsmitgliedschaft in der CDU, (. . .) auch nicht für ehemalige Ministerpräsidenten und Landesvorsitzende.“ Hauk wiederholt es wortgleich und setzt noch eins drauf: Es gebe keine Zwangsmitgliedschaft „für Menschen, die mit der Partei nichts am Hut haben“. Umgekehrt sei es der CDU „nicht mehr länger zuzumuten“, unter einem Ex-Chef zu leiden, der „die Partei und die Mitglieder verunglimpft“. Empfehlungen gebe er Mappus indes keine, die nehme der sowieso nicht an.

Für Mappus sind Strobls Worte „schwer erträglich“

So ist es auch diesmal: Wenig später lässt der Pforzheimer mitteilen, dass er an einen Austritt nicht denke – er bleibe „mit Leib und Seele“ Mitglied der CDU, in die er vor 28 Jahren wegen Helmut Kohl eingetreten sei. Im Übrigen sei es „nur schwer erträglich“, dass sich ausgerechnet Strobl und Hauk über privaten SMS-Verkehr äußerten, den sie gar nicht kennen könnten. Es war freilich nicht das erste Mal, das sich Mappus über den Landesverband beklagte. Kurz vor Jahresende hatte er in einem Interview moniert, er werde „von der eigenen Partei zum alleinigen Sündenbock gemacht“. Nach der Abwahl erlebe er dort einen „Herdentrieb in brutalster Form“.

Brutal will sein einstiger Generalsekretär und Nachfolger Strobl nun in der Tat reagieren: „Brutalstmögliche Aufklärung“ verlangte er über die Vorgänge rund um den EnBW-Ausschuss. Wenn die CDU-Fraktion sich an diesem Dienstag zu ihrer Routinesitzung trifft, dürfte es hoch hergehen. „Es rumort gewaltig in der Partei“, berichtet ein Abgeordneter. Nicht nur beim Landesverband bekunden Christdemokraten reihenweise ihren Unmut. „Blankes Unverständnis“ über Müllers Gemauschel mit Mappus, hört man, werde dort artikuliert. Auch in den Kreisverbänden herrscht Entsetzen über den „schweren Rückschlag“ für die CDU. Jetzt habe man in der Oppositionsrolle einigermaßen Tritt gefasst, sagt ein Vorsitzender – und dann das. Mappus’ Wortwahl hat viele Mitglieder besonders erbost: Dem „Scheißverein“ habe er schließlich eine Menge zu verdanken, sagt ein Funktionär. Doch die Partei betrachtete er offenbar vor allem als Vehikel für die eigene Karriere. „Lieber 15 Monate MP als gar nie MP“ – diese Bilanz seiner kurzen Amtszeit machte das überdeutlich.

Glaubwürdigkeit verlangt ein vorbildliches Verhalten

„Schonungslos“ will sich Hauk in der Fraktionssitzung berichten lassen, wer wie mit Mappus gekungelt hat. Ulrich Müllers Ausscheiden aus dem Ausschuss gilt als unausweichlich. Zu groß ist die Diskrepanz zwischen seinen hehren moralischen Ansprüchen und dem eigenen Handeln. Glaubwürdigkeit, schrieb er nach der Abwahl der CDU in einem Strategiepapier, verlange „ein vorbildhaftes persönliches Verhalten – und Sanktionen, wenn dem nicht so ist“. Der Obmann Schebesta rechtfertigt sich noch. Es gebe „keine Kontaktsperre“ zwischen Ausschussmitgliedern und Zeugen, sagte er, im Übrigen habe er aus seinen 2012 andauernden Kontakten zu Mappus nie einen Hehl gemacht. Doch wenn es stimmen sollte, dass Schebesta sogar in laufenden Sitzungen SMS-Nachrichten mit Mappus austauschte, dürfte der Druck auf ihn erheblich sein. „Ich wüsste, was ich an seiner Stelle zu tun hätte“, sagt ein Kollege. Von der Staatsanwaltschaft immerhin kam schon einmal Entwarnung. Genauso wenig wie bei Müller sehe man einen Anfangsverdacht auf ein strafbares Verhalten, sagte ein Sprecher; daher habe man keine Ermittlungen eingeleitet. Zumindest bei Müller, vermuten Abgeordnete, könnte sich das noch ändern.

Schwer dürfte sich die CDU auch mit der Frage tun, ob sie an ihrem Besetzungsrecht für den Ausschussvorsitz festhält. Strobl hatte dies ausdrücklich der Fraktion überlassen, sprach jedoch von einer Chance für einen unbelasteten jüngeren Abgeordneten. Wen er damit meinte, ist kein Geheimnis mehr: den wie er aus Heilbronn stammenden Rechtsanwalt Alexander Throm, der als einfaches Ausschussmitglied bisher eher unauffällig agierte. Auch Hauk will seinen Kollegen empfehlen, an dem Posten festhalten. Ob Grüne und Rote dabei mitspielen, ist indes fraglich: Nach dem Vorgefallenen, verlautete aus deren Reihen, sei ein CDU-Vorsitzender kaum vermittelbar.