Angela Merkel bleibt keine Zeit, sich über Zugewinne in Berlin zu freuen. Die Eurokrise spaltet ihre Koalition sowie die Unionsparteien.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Armin Käfer (kä)

Berlin - Angela Merkel wird die Debatte über die Restlaufzeit ihrer schwarz-gelben Koalition nicht los. Im Gegenteil, das vernichtende Ergebnis der FDP bei der Wahl in Berlin hat die Spekulationen über ein vorzeitiges Ende der zweiten Merkel-Regierung noch angeheizt. Der Kanzlerin scheinen bei ihrer Wahlnachlese in der CDU-Parteizentrale fast die Worte auszugehen, welche diese Spekulationen entkräften sollten. Sie erklärt knapp: "Die Koalition arbeitet."

 

Merkel versichert, sie erwarte auch keine weiteren Zerreißproben, wie sie etwa in der vergangenen Woche zu erleben waren. "Ich glaube, dass wir unsere Regierungsarbeit fortsetzen werden und ich glaube nicht, dass etwas schwieriger wird", sagt die CDU-Chefin. Offenbar ist das Zutrauen in die Loyalität des Koalitionspartners für Merkel inzwischen zur Glaubensfrage geworden. Da ist es gut, dass sie am Donnerstag den Papst treffen wird.

Über Probleme mit der FDP will Merkel icht reden

Bei dem gemeinsamen Auftritt mit dem Berliner CDU-Spitzenkandidaten Frank Henkel ist weniger von dessen Konsolidierungerfolg die Rede. Henkel hat für seine Partei ein überraschend solides Ergebnis erreicht und am Ende die im Wahlkampf zunächst völlig überschätzten Grünen deutlich hinter sich gelassen. "Die Eurodebatte war kein wahlentscheidendes Thema - außer für diejenigen, die es missbraucht haben", sagt er. "Populismus ist bestraft worden, Sacharbeit ist belohnt worden." Das ist eine unmissverständliche Attacke gegen die FDP und ihren Parteichef Philipp Rösler, der mit Spekulationen über eine Insolvenz Griechenlands Verunsicherung verbreitet hatte.

Die Liberalen haben während dieses Superwahljahrs in fünf Bundesländern ihre Parlamentstauglichkeit eingebüßt. Aber auch für die Partei der Kanzlerin ist die Bilanz nach sieben Landtagswahlen miserabel. Allein in Sachsen-Anhalt konnte sie sich als stärkste Kraft behaupten. Im Südwesten hat sie ihr bis dahin verlässlichstes Stammland verloren und ansonsten flächendeckend Wählerstimmen eingebüßt.

Dramatischer noch erscheinen die akuten Probleme der schwarz-gelben Bundesregierung. Darüber mag Merkel aber nicht reden. "Ich arbeite mit den Kollegen von der FDP ganz eng zusammen", sagt sie. Und im Unterschied zu diversen Einlassungen in der vergangenen Woche, als sie ihren Vizekanzler Rösler mehrfach direkt angegangen war, kommt ihr an diesem Montag im Adenauerhaus kein Wort über die Lippen, das als Distanzierung von der liberalen Krisenpartei gedeutet werden könnte. Merkel hat allerdings nicht nur Ärger mit dem Juniorpartner.

CSU ist gegen "Inflationsunion" in Europa

Auch die Schwesterpartei CSU gibt im Streit über die Eurorettungspolitik keine Ruhe. Hier gebe es einen Dissens, räumt die Kanzlerin kühl ein. "Darüber wird noch weiter zu sprechen sein - freundschaftlich, wie das üblich ist zwischen Schwesterparteien." Merkel hält nichts von der CSU-Position, Schuldenstaaten im Ernstfall aus der Eurozone auszuschließen. Sie wiederholt ihre Mahnung aus der vergangenen Woche: "Ich glaube, dass man im Umgang mit der Eurokrise seine Worte sehr gut wägen muss."

Davon unbeeindruckt fordert die bayerische Landesregierung dringend einen Plan für eine Umschuldung Griechenlands. CSU-Finanzminister Georg Fahrenschon sagt nach einer Kabinettssitzung in München, Griechenland werde seine Zusagen kaum erfüllen können. Deshalb müsse die Kanzlerin schnell zu einem Koalitionsgespräch einladen und festlegen, wie im schlimmsten Fall vorzugehen sei. Dabei "darf es keine Denkverbote geben", betont Fahrenschon. Seine Partei sei "gegen eine Inflationsunion" in Europa.

Pflege: Bahr legt Reformkonzept später vor

Kritik Die Ankündigung von Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr (FDP), sein Konzept zur Pflegereform doch noch nicht in dieser Woche vorzulegen, ist bei Sozialverbänden auf heftige Kritik gestoßen. Bahr wollte die Reformeckpunkte ursprünglich am 23. September vorstellen. Doch ein gemeinsamer Kompromiss in der Pflege sei derzeit in der Koalition nicht möglich, sagte er der Zeitung "Die Welt". Sozialverbände sprachen von einem "Skandal".

Koalitionsstreit Bahr reagierte damit auf Reformvorschläge des CSU-Chefs Horst Seehofer und des CDU-Gesundheitspolitikers Jens Spahn. Die Ansätze von CSU und CDU widersprächen sich, damit sei klar, "dass die Union ihre Grundsatzfragen in der Pflege nicht geklärt" habe, sagte Bahr.