Früher Minister, jetzt Fraktionschef: Wolfgang Reinhart will der Regierung auf die Finger schauen – auch dem Innenminister, CDU-Landeschef Thomas Strobl.

Stuttgart - Dass er für ein Ministeramt geeignet wäre, und zwar für jedes, daran zweifelt in Baden-Württembergs CDU niemand. Wolfgang Reinhart hat ja auch schon hinreichend bewiesen, dass er führen kann – zum Beispiel als Minister für Bundes- und Europaangelegenheiten, wenn man so will: als Günther Oettingers Statthalter in Berlin. Er hätte wohl auch Ja gesagt, wenn Thomas Strobl ihm ein Ressort angeboten hätte. Doch die Offerte kam nicht. Und so sahen manche ihre Vermutung bestätigt, dass das Verhältnis Reinharts zu dem neuen starken Mann der baden-württembergischen CDU tief zerrüttet sei.

 

Doch die Nichtberufung war eher komplizierten Proporzfragen geschuldet als persönlichen Animositäten - wiewohl man weiß, dass das Verhältnis der beiden längst nicht mehr so ist wie zu Zeiten, als sie am Arlberg gemeinsam wandern gingen. Im parteiinternen Wettkampf um die Spitzenkandidatur hat der Tauberbischofsheimer, der fraktionsintern nur schwer einem Lager zuzuordnen ist, jedenfalls auf Wolf gesetzt, nicht auf Strobl.

Reinhart ist nicht Strobls Wunschkandidat

Im Grunde hatte Reinhart ohnehin ein anderes Ziel: den Fraktionsvorsitz. Für den früheren Hindernisläufer war es auch eine sportliche Herausforderung, einen gleichwertigen, aber völlig eigenständigen Platz neben dem CDU-Landesvorsitzenden zu erlangen. Natürlich war auch eine gewisse Eitelkeit im Spiel. Man tritt dem 60-Jährigen, der mit einer großen Anwaltskanzlei auch außerhalb der Politik einiges erreicht hat, nicht zu nahe, wenn man ihm ein ausgeprägtes Ego bescheinigt.

Auf dem herausgehobenen Fraktionsposten ist Reinhart nun definitiv nicht Strobls Wunschkandidat. Das war vielmehr der frühere Europa- bzw. Agrarminister Willi Stächele. Der 64-jährige Südbadener wäre für den Vize-Regierungschef erheblich pflegeleichter gewesen. Ihm hätte er es eher zugetraut, die Wogen in der aufgewühlten Truppe zu glätten, in der sich fast jeder Zweite Hoffnungen auf ein Ministeramt gemacht hatte. Doch Stächele unterlag Reinhart mit 17 gegen 25 Stimmen.

Reinhart will sich und seine 41 Mitstreiter gut in Szene setzen

Nun sind die Zeiten, da der CDU-Fraktionschef als natürlicher Anwärter auf das Amt des Ministerpräsidenten galt, auch in der CDU lange vorbei. Nach Gutsherrenart hatte sich zuletzt Stefan Mappus in Position gebracht. Strobl ist außerdem nicht Ministerpräsident, sondern Stellvertreter. Und wer 2021 als Spitzenkandidat antritt, darüber werden die Mitglieder, so viel lässt sich voraussagen, intensiver mitreden denn je. Trotzdem gibt es auch heute noch eine ausgeprägte Rivalität zwischen den Alfa-Tieren in Fraktion und Regierung - mit Reinhart sicherlich stärker als mit Stächele. So sah der neue Fraktionschef kürzlich nicht den geringsten Grund, die missglückte CDU-Probeabstimmung am Tag vor Kretschmanns Wahl zum Regierungschef zu tadeln. Im Gegenteil. „Wir sind eine selbstbewusste, eigenständige Fraktion, und wir brauchen den nötigen Freiraum“, sagte Reinhart. Man dürfe Unzufriedenheit nicht unterdrücken, sonst suche sie sich ein Ventil.

So will der promovierte Jurist, der an der Hochschule Heilbronn eine Honorarprofessur inne hat, sich selbst und seine 41 Mitstreiter künftig besser in Szene setzen als bisher: mit politischen Vorstößen jenseits der Regierung. Man darf erwarten, dass er Strobl wie die gesamte Regierung kritisch begleitet – was dem Landtag als Ganzes ja nur gut tun kann. Dass dies eine offene Kampfansage an seinen Rivalen sei, muss man deswegen nicht daraus ableiten. Dafür agiert der Mann, der auch einen (verpachteten) Weinberg sein eigen nennt, zu vorsichtig. Trotz allen Machtbewusstseins ist er nicht der Typ für die direkte Konfrontation. Reinhart ist vielmehr geschmeidig und im Umgang verbindlich. Er schmiedet lieber Allianzen und sucht Bundesgenossen. Sein Faible für Netzwerke ist nicht erst seit seiner Zeit in Berlin bekannt, wo er zeitweise Koordinator aller 16 Länder im Vermittlungsausschuss war. Dass auch die Handy-Nummer der Bundeskanzlerin in seinem Verzeichnis steht, streitet er nicht ab.