Grüne, Rote, Liberale – alle wollen die Behörden zu mehr Offenheit verpflichten. Nur die CDU sperrt sich unbeirrt dagegen: die Reform sei völlig unnötig.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Andreas Müller (mül)

Stuttgart - Selbst Ulrich Goll (FDP) hat sich vom Saulus zum Paulus gewandelt. Früher, als er noch Justizminister war, sah er das von seiner Partei befürwortete Landesgesetz zur Informationsfreiheit skeptisch. Die Bürger sollten grundsätzlich Einblick in amtliche Akten bekommen, sofern keine anderen Rechte entgegenstünden? Das diene doch nur der „schieren Neugier an den Verhältnissen anderer“, meinte Goll – und lag damit eher auf der Linie des großen Koalitionspartners CDU, der die Liberalen in ihrem Drang nach mehr Transparenz ausbremste.

 

Heute hegt der Ex-Minister, inzwischen justizpolitischer Sprecher seiner Fraktion, keine Zweifel mehr. „Es ist sinnvoll, so etwas einzuführen“, lautet sein Urteil. Für die Bedenken seiner einstigen Verbündeten von der CDU hat Goll dagegen kaum noch Verständnis. „Ich finde es schade, dass Sie sich keinen Ruck geben und erkennen, dass Sie sich . . . mit einer veralteten Position eingegraben haben“, sagte er jüngst im Landtag. Schließlich gehe es um ein Thema, „bei dem man den Bürgerinnen und Bürgern eigentlich schmerzfrei ein Stück entgegenkommen könnte“.

FDP drängelt mit eigenem Entwurf

Eingegraben – der Ausdruck trifft es. Tatsächlich geriert sich die CDU-Fraktion als letztes Bollwerk gegen mehr Informationsfreiheit. Alle anderen Landtagsparteien sind sich einig, dass endlich auch Baden-Württemberg ein solches Gesetz bekommen soll; die meisten Bundesländer und der Bund haben es längst. Grüne und SPD haben im Koalitionsvertrag eine moderne Regelung versprochen, im Lauf dieses Jahres will Innenminister Reinhold Gall (SPD) einen Entwurf vorlegen. Der von den CDU-Fesseln befreiten FDP geht das zu langsam: um das Regierungsbündnis anzutreiben, präsentierte sie eine eigene Novelle. Außerhalb des Parlaments machen die Piratenpartei und der Reporterverband Netzwerk Recherche Druck mit Gesetzentwürfen für den Südwesten. Das Land dürfe nicht länger „Schlusslicht bei der Behördentransparenz“ sein, mahnte der Netzwerk-Sprecher Manfred Redelfs.

Auch die CDU hätte eigentlich Gründe, sich für mehr Transparenz einzusetzen. Mit der Abwahl der Regierung Mappus bestraften die Bürger auch die Geheimniskrämerei, die im milliardenschweren Hinterzimmer-Deal mit den EnBW-Aktien gipfelte. Doch die Konservativen hätten „nichts dazugelernt“, monierte etwa der Grünen-Abgeordnete Alexander Salomon.

Offiziell sieht die Fraktion dafür in der Tat keinerlei Grund. Sie könnte sich zumindest diskussionsbereit zeigen, etwa was die Ausgestaltung eines Transparenzgesetzes angeht; der Kurs der Erneuerung und Offenheit der Partei würde so glaubwürdiger. Aber sie lehnt es rundweg ab – weitgehend im Einklang mit den kommunalen Landesverbänden.

Kommunalverbände fürchten den Mehraufwand

Die hatten kürzlich bei der Anhörung zum FDP-Entwurf einhellig ihren Protest zu Protokoll gegeben. Man befürchte einen „erheblichen zusätzlichen bürokratischen Aufwand“ (Gemeindetag), sei „vom Mehrwert eines solchen Gesetzes für die Bürgerschaft . . . noch nicht überzeugt“ (Städtetag), sehe insgesamt „keinen belegbaren Bedarf“ dafür. So stand es in einer Stellungnahme des Landkreistages aus dem Jahr 2005, aus dem der Verband jetzt wieder zitierte. Zustimmung kam, wenig überraschend, vom Verein Mehr Demokratie, aber auch vom noch zu CDU-Regierungszeiten berufenen Datenschutzbeauftragten Jörg Klingbeil.

Klares Votum vom obersten Datenschützer

„Im Sinne einer Stärkung der demokratischen Beteiligungsrechte der Bürger begrüße ich die Schaffung eines Informationsfreiheitsgesetzes“, schrieb er. Wie in anderen Ländern auch wäre es sinnvoll, so Klingbeil, seine Dienststelle mit dem Austarieren von Transparenz und Datenschutz zu beauftragen.

Die CDU indes bleibt hart. „Man braucht eigentlich keine gesetzlichen Vorgaben, wenn man Demokratie, Transparenz und Mitwirkung der Bürger ernst nehmen will“, sagt Fraktionschef Peter Hauk. Die bestehenden Regeln reichten aus, das geplante Gesetz führe „zwangsläufig zu mehr Bürokratie, Arbeits- und Kostenaufwand“, vor allem auf kommunaler Ebene. In die Landtagsdebatten schickt die Union einen Mann aus dem Innenarbeitskreis, der geradezu leidenschaftlich gegen mehr Informationsfreiheit kämpft: den Biberacher Abgeordneten und Sparkassenpräsidenten Peter Schneider.

Schneider sieht „Ideologen“ am Werk

Schon der „hochtrabende Begriff“ stört ihn: seien die Baden-Württemberger etwa sechzig Jahre lang „unfrei“ gewesen? „Wir sehen für ein solches Gesetz überhaupt keinen Bedarf“, schmetterte Schneider in den Plenarsaal. Es seien nicht zufällig „die bestverwalteten Bundesländer“, die bisher darauf verzichtet hätten. „Informationsfreiheitsideologen“ nennt Schneider die grün-roten Befürworter, die Einwände als „verstaubt“ abtäten – und damit mal wieder zeigten, wie wenig sie auf das Urteil der Betroffenen hörten.

Die offizielle CDU-Linie sei „wirklich hanebüchen“, konterte der Grüne Salomon. Schneider solle einmal in seine eigene Fraktion hineinhorchen, da gebe es „bestimmt genügend Abgeordnete, die Informationsfreiheit als sehr gut ansehen würden“. Hinter vorgehaltener Hand räumen CDU-Leute in der Tat ein, dass ihrer Partei etwas mehr Offenheit bei dem Thema gut anstünde. Öffentlich traute sich das aber bisher niemand zu sagen – auch nicht von den jungen Parlamentariern, die bei den Bürgern den Wunsch nach Transparenz sehr wohl spüren. In der Politik zählten eben nicht nur Fakten, sondern auch Stimmungen, hatte der „bekehrte“ Ex-Minister Goll gemahnt: Viele Menschen empfänden die Verwaltung als wenig transparent, selbst den Abgeordneten („seien wir doch mal ehrlich“) gehe es oft so. Das müsse man einfach „ernst nehmen“.