CDU-Generalsekretär Peter Tauber entschuldigt sich nach einer Welle des Protestes für seine missratenen Tweets zu den Mini-Jobs. DGB-Vorstandsmitglied Annelie Buntenbach begrüßt dies zwar, fürchtet aber Wildwest-Verhältnisse auf dem Arbeitsmarkt nach der Bundestagswahl.

Politik: Matthias Schiermeyer (ms)

Stuttgart - Immer wieder tappen Politiker mit unbedachten Formulierungen in die Distanzfalle. Dann verraten sie einen Mangel an Verständnis für die existenziellen Probleme vieler Menschen. Noch gut in Erinnerung ist der Rat des damaligen FDP-Chefs Philipp Rösler an die entlassenen Schlecker-Frauen vor fünf Jahren, „schnellstmöglich eine Anschlussverwendung selber zu finden“. Kaltherzigkeit und Respektlosigkeit kommen im Wahlvolk schlecht an.

 

Insofern darf sich jetzt CDU-Generalsekretär Peter Tauber über die wütenden Reaktionen nicht beklagen, die er mit seinen jüngsten Tweets ausgelöst hat: „Nur mit einer guten Ausbildung verdient man genug damit man nicht drei Mini-Jobs braucht, um über die Runden zu kommen“, schrieb er. Das sollte Werbung für das Unionswahlprogramm sein, in dem Vollbeschäftigung bis 2025 versprochen wird. Ein Twitter-Nutzer wollte wissen: „Heißt das jetzt 3 Minijobs für mich?“, was Tauber mit einem weiteren Tweet konterte: „Wenn Sie was ordentliches gelernt haben, dann brauchen Sie keine drei Minijobs.“

Heil kritisiert „pöbelnde Arroganz“

Es ist nicht die erste undiplomatische Äußerung Taubers. Im Januar hatte er FDP-Vize Wolfgang Kubicki mit AfD-Mann Alexander Gauland verglichen. „Taubernuss“, retournierte der Liberale. Der neueste Patzer ging besonders gründlich daneben. Nun rollt die Welle der Empörung durch das Netz. Noch gemäßigt twittert @die_vom_amt: „Ich arbeite in einem Jobcenter und lade Sie herzlich ein, diese Meinung mit einem Aufstocker zu diskutieren.“ Auch der politische Gegner lässt sich diese Vorlage nicht entgehen: Eine „pöbelnde Arroganz“ attestiert etwa SPD-Pendant Hubertus Heil. Einen Realitätsverlust stellt Grünen-Chef Cem Özdemir fest.

Die Wucht der Reaktionen ist dermaßen groß, dass Tauber am Dienstagvormittag zurückrudert: „Es tut mir leid“, schreibt er, „dass ich (...) so blöd formuliert und damit manche verletzt habe“. Annelie Buntenbach, Vorstandsmitglied des Gewerkschaftsbundes (DGB), begrüßt die Entschuldigung. „Das war respektlos und realitätsfern“, kritisierte sie die Tauber-Tweets. Er habe gezeigt, „wie weit weg er ist von der Lebenswirklichkeit vieler Beschäftigter, die in Minijobs arbeiten“, sagte sie unserer Zeitung. Es sei gut, dass er sich inzwischen entschuldigt habe. „Ich hoffe nur, dass solche Äußerungen keine Anzeichen für Wildwest auf dem Arbeitsmarkt sind, wie es nach der Bundestagswahl drohen könnte.“

„Um elementare Arbeitnehmerrechte gebracht“

Minijobs seien heute schon ausgesprochen erpressbare Beschäftigungsverhältnisse – viele Menschen würden hier „um elementare Arbeitnehmerrechte gebracht“, sagt Buntenbach mit Blick auf die unzureichende Lohnfortzahlung im Krankheitsfall oder mangelnden Urlaubsanspruch. „Die Politik, gerade die Union, muss ihren Teil für gute Arbeit leisten“, fordert das DGB-Vorstandsmitglied. „Die Minijobs gehören endlich reformiert, und zwar in Richtung Sozialversicherungspflicht.“

Nach dem jüngsten Stand im April wurden 4,7 Millionen ausschließlich geringfügig Beschäftigte gezählt, darunter rund drei Millionen zwischen 25 und 64 Jahren. Hinzu kommen fast 2,7 Millionen im Nebenjob. Der Frauenanteil bei den Minijobs liegt bei 60 Prozent – in der Gruppe von 25 bis 55 Jahren bei den ausschließlich geringfügig entlohnten Beschäftigten sogar bei 73 Prozent. Minijobber arbeiten überwiegend im Niedriglohnbereich, wo der Mindestlohn noch nicht überall ankommt. Noch im vorigen Herbst wurde laut einer RWI-Studie in zwölf Prozent der Fälle bei den Minijobs der gesetzliche Mindestlohn illegal unterschritten. Die CDU wolle die Ausweitung der Geringfügigkeitsgrenze, rügt der DGB. Das habe noch weniger Lohn für die Beschäftigten zur Folge.