Der stellvertretende CDU-Vorsitzende Thomas Strobl erklärt im Interview mit der Stuttgarter Zeitung, wie die Union neue Akzente als Wirtschaftspartei setzen will.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Armin Käfer (kä)
Berlin – - Die CDU feiert Jubiläum und ist dabei, sich neu zu erfinden. Um die Zukunft der Arbeit kümmert sich der baden-württembergische Landeschef.
Herr Strobl, wie groß ist in der CDU die Sehnsucht, Griechenland als Eurosünder loszuwerden?
Diese Sehnsucht gibt es nicht. Aber die Enttäuschung über die aktuelle griechische Regierung ist riesengroß. Sie hat den Verhandlungstisch verlassen und will offenbar einen eigenen Weg gehen. Es gibt eine nicht kleine Zahl von Abgeordneten, die sagen: Jetzt reicht es wirklich.
Eine griechische Staatspleite würde deutsche Steuerzahler so oder so viel Geld kosten. War die bisherige Hilfspolitik falsch?
Keinesfalls, denn die Hilfspolitik ist erfolgreich. Das ließ sich in Griechenland beobachten. Es gab auch dort Sanierungserfolge: ein leichtes Wirtschaftswachstum und Primärüberschüsse im Staatshaushalt. Die Griechen hatten den Umschwung schon im Blick – und diesen Weg sollten sie weiter verfolgen. Andere EU-Staaten haben das recht erfolgreich getan.
Unter welchen Bedingungen wäre ein drittes Hilfspaket Ihrer Fraktion zu vermitteln?
Das ist sehr schwierig. Die Regierung Tsipras hat sehr viel Vertrauen verspielt – bei manchen meiner Kollegen alles. Selbst wenn diese Regierung jetzt Zusagen machen würde, würde es vielen von uns sehr schwer fallen zu glauben, dass solche Zusagen ernst gemeint sind und eingehalten werden. Es ist schlimm und für mich persönlich nicht nachvollziehbar, wie eine Regierung sehenden Auges ihr Land und seine Menschen derart an den Rand des Abgrunds führen kann.
Die CDU gibt es 70 Jahre, 50 davon hat sie den Kanzler gestellt. Wie würden Sie die Erfolgsstrategie Ihrer Partei beschreiben?
Die CDU hat ein Wertegerüst – das beruht auf dem christlichen Menschenbild –, aber wir sind keine Ideologen. Wir betrachten die Welt, wie sie ist, und richten danach unsere Entscheidungen aus. Wenn die Welt sich verändert, dann halten wir nicht an überkommenen Ideologien fest, sondern entwickeln uns weiter. Wir tun das von einem sehr festen Fundament aus und innerhalb eines klaren Koordinatensystems. Dieser unideologische Blick, unsere christliche Verankerung und die Bereitschaft, Schritt zu halten mit der sich verändernden Welt – darin liegt das Erfolgsrezept christlich-demokratischer Politik.
Die CDU ist dabei, ihr Programm fortzuschreiben. Welche Akzente möchten Sie in der Wirtschaftspolitik setzen?
In der Arbeitswelt gibt es einen starken Wandel, eine regelrechte Revolution. Diese digitale Revolution ist vergleichbar mit der Erfindung von Dampfmaschine, Fließband und der Elektrifizierung. Sie bringt viele Erleichterungen und neue Chancen. Deswegen wollen wir als CDU diesen Wandel tatkräftig gestalten und das Potenzial für unseren Wohlstand nutzen. Wir haben aber auch die Risiken im Blick, die es gibt.
Welche Risiken meinen Sie?
Die Digitalisierung ermöglicht eine noch stärkere Flexibilisierung der Arbeit. Noch mehr Menschen werden ihre Arbeit zuhause erledigen können oder an jedem anderen Ort. In vielen Fällen wird es egal sein, wann diese Arbeit erledigt wird. Das bedeutet auch eine große zeitliche Flexibilisierung. Für Menschen, die neben ihrem Beruf Kinder erziehen oder Verwandte pflegen, kann das ein Vorteil sein. Auf der anderen Seite kann diese zunächst positive Flexibilisierung dazu führen, dass die Arbeit nie aufhört, weil man ständig erreichbar ist. Dem darf man die Menschen nicht aussetzen. Der Mensch ist nicht dafür gemacht, sieben Tage die Woche, 24 Stunden am Tag, 150 Prozent zu geben.
Die Digitalisierung ist für Unternehmen eine große Herausforderung. Wo müsste der Staat helfen? Wo gibt es Regelungsbedarf?
Es wäre ein Fehler zu glauben, wir bräuchten unbedingt ein deutsches Google oder ein europäisches Facebook. Diese ICE-Züge sind längst abgefahren. Aber es gibt neue Züge wie die Digitalisierung der Produktion. In den klassischen Schlüsselbranchen sind wir nach wie vor Weltspitze und müssen alles tun, damit wir Spitze bleiben. Je kleiner die Betriebe werden, desto mehr müssen wir helfen. Großen Regelungsbedarf haben wir beim Datenschutz: Es gibt in Deutschland 16 verschiedene Landesgesetze und 16 verschiedene Landesbeauftragte, dazu ein Bundesdatenschutzgesetz und eine Bundesdatenschutzbeauftragte. Im Digitalzeitalter ist aber kein Platz für Kleinstaaterei. Für die EU brauchen wir dringend eine Datenschutzgrundverordnung, und zwar nicht irgendwann, sondern dieses Jahr. Und wir müssen dafür sorgen, dass diese in Deutschland einheitlich ausgelegt und angewendet wird. Wenn wir das nicht schaffen, wird es sehr schwer, in der digitalen Welt den Anschluss zu halten.
Die Bundesregierung verspricht allen Zugang zum schnellen Internet. Aber noch immer klaffen da in Deutschland große Lücken.
Schnelles Internet überall – das ist ein entscheidender Standortfaktor. Wir dürfen uns nicht damit abfinden, dass es etwa in Baden-Württemberg auch nur einen einzigen weißen Flecken gibt. Unser Ehrgeiz muss sein, dass jeder Schwarzwaldhof mit schnellem Internet versorgt ist. Wir fordern für alle einen Rechtsanspruch auf einen schnellen Datenzugang – und zwar nicht irgendwann, sondern innerhalb der nächsten zwei Jahre. Bei uns wachsen die Schwarzwaldtäler nicht zu, sondern bei uns bekommt jeder Schwarzwaldbauer das schnelle Internet. Wir haben es schließlich auch geschafft, überall einen Telefonanschluss zu legen.
Über Digitalisierung reden viele. Worin unterscheiden sich die Antworten der CDU von denen der politischen Konkurrenz?
Diese neuen Technologien bringen große Chancen, sie sind freilich weder fehlerfrei noch selig machend. Es entspricht unserem christlichen Menschenbild, diese neue Technik nicht zu vergöttern. Sie soll den Menschen dienen. Deshalb bin ich dafür, den Sonntag auch in der digitalen Welt zu schützen. Ich will nicht, dass die Menschen und die Familien sich immer mehr der Wirtschaft anpassen: Die Arbeitswelt soll vielmehr familienfreundlicher werden.