Der Sparkassenpräsident und Landtagsabgeordnete Peter Schneider besaß noch vor dem EnBW-Deal Aktien des Energieversorgers. Mit Mappus’ Überraschungscoup gewann sein Paket schlagartig an Wert – und Schneider verkaufte. Als CDU-Abgeordneter legte er das aber nicht offen.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Andreas Müller (mül)

Stuttgart - Peter Schneider (CDU) wurde direkt angesprochen, als der Landtag am 15. Dezember 2010 erstmals über den EnBW-Deal debattierte. Wenn der baden-württembergische Sparkassenpräsident im Kreditausschuss der LBBW auf ähnlich dünner Grundlage Geschäfte machen würde, rief ihm der SPD-Fraktionschef Claus Schmiedel zu, würde ihm die Finanzaufsicht „die Staatsanwaltschaft in die Bank schicken“. Schneider schaute leicht gequält drein, erwiderte aber nichts. Später stimmte er wie seine CDU-Kollegen für den Nachtragshaushalt, mit dem das Parlament den Milliardencoup von Stefan Mappus nachträglich absichern musste.

 

Nun wird bekannt, dass der Biberacher CDU-Abgeordnete auch persönlich vom Wiedereinstieg des Landes profitierte. Genauer: von dem Zuschlag von 18,6 Prozent auf den letzten Aktienkurs, den das Land der Électricité de France (EdF) bezahlte und auch allen freien Aktionären anbieten musste. Schneider war nämlich selbst EnBW-Aktionär, wie er – von der StZ mit entsprechenden Informationen konfrontiert – offenlegte. Er habe damals „eine kleine Position“ von 500 Aktien in seinem privaten Depot gehabt, die noch aus seiner Zeit als Aufsichtsratsvorsitzender der EnBW stammten, erklärte sein Sprecher. Die Papiere (Gesamtwert vor dem EnBW-Deal: etwa 17 500 Euro) seien „als langfristiges Investment gedacht“ gewesen.

Dank Mappus’ schoss der Kurs nach oben

Mit Mappus’ Überraschungscoup gewann Schneiders Paket schlagartig an Wert: der Kurs schoss von etwa 35 Euro auf jene 41,50 Euro hoch, die der Premier den Franzosen zahlte. Dort etwa blieb er bis zum Ablauf des Übernahmeangebots im April, ehe er wieder auf Talfahrt ging. Der Sparkassenpräsident handelte indes rechtzeitig. „Nach der Landtagswahl hat Herr Schneider die Aktien im April 2011 verkauft“, teilte sein Sprecher mit. So sicherte er sich den Wertzuwachs von etwa 3000 Euro durch den EnBW-Deal – für den Verbandschef, der deutlich mehr als der Ministerpräsident verdient, kein Riesenbetrag. Offiziell wusste freilich niemand davon.

Durfte Schneider trotz seines Eigeninteresses an der Abstimmung teilnehmen? Hat er den Aktienbesitz zu Recht nicht offengelegt? Beide Fragen beantwortete die Landtagsverwaltung von Guido Wolf (CDU), abstrakt auf den Fall angesprochen, mit Ja. Der Sparkassenpräsident kann sich offensichtlich auf eine Lücke im Regelwerk des Landtags berufen. Nach dem Abgeordnetengesetz haben Parlamentarier zwar „die Pflicht zur Offenlegung von wirtschaftlichen Interessenverknüpfungen“. Wirke ein Abgeordneter an Beratung oder Abstimmung über einen Gegenstand mit, „an welchem er selbst oder ein anderer (. . .) ein unmittelbares wirtschaftliches Interesse hat“, muss er dies nach einer Anlage zum Gesetz anzeigen. Das gilt allerdings nur für die Befassung in einem Ausschuss, nicht aber im Plenum des Parlaments. Schneider sei mit dem Thema EnBW-Deal jedoch nicht in einem Ausschuss befasst gewesen, betonte der Sprecher des Sparkassenverbands. Er saß nämlich nicht im dafür zuständigen Finanzausschuss.

Nachfrage beim Landtagspräsidenten blieb aus

In den Offenlegungsregeln steht aber auch: „In Zweifelsfällen ist der Abgeordnete verpflichtet, durch Rückfrage beim Präsidenten sich über die Auslegung der Bestimmungen zu vergewissern.“ Auf die Frage, ob Abgeordnete mit EnBW-Aktien in Zweifelsfällen beim Präsidenten hätten nachfragen müssen, antwortete der Landtag: „Ja.“ Eine solche Nachfrage sei jedoch ebenso wenig erfolgt wie eine Offenlegung etwaigen Aktienbesitzes. Auch habe sich nach Kenntnis der Landtagsverwaltung kein Abgeordneter „unter Bezugnahme auf den Besitz von EnBW-Aktien nicht an Abstimmungen beteiligt“.

Vor der namentlichen Abstimmung über den Nachtragsetat zum EnBW-Deal hatten SPD und Grüne aus Protest den Plenarsaal verlassen. Die Abgeordneten von CDU und FDP billigten das Gesetz sodann einstimmig – mit einer Ausnahme: der inzwischen verstorbene FDP-Fraktionschef Ulrich Noll enthielt sich der Stimme.

Ausweichend beantwortete die Landtagsverwaltung die Frage, ob sie eine Regelungslücke erkenne: „Es sind keine Initiativen der Fraktionen des Landtags bekannt, an den geltenden Regeln etwas zu ändern.“ Abgeordnete, die EnBW-Aktien besäßen, dürften auch in Zukunft an Entscheidungen des Landtags zur EnBW mitwirken. Dabei können sie von den Beschlüssen zumindest mittelbar profitieren – zum Beispiel von der aktuellen Kapitalerhöhung um 400 Millionen Euro Landesmittel.

Den Deal will Schneider nicht bewerten

Ob neben Schneider weitere Abgeordnete EnBW-Aktien besaßen oder besitzen, ist nicht bekannt. Etliche CDU-Leute haben als (ehemalige) Mitarbeiter oder Organmitglieder oder Vertreter des Großaktionärs OEW einen besonderen Bezug zu dem Karlsruher Unternehmen. Die Frage der StZ, wie er den EnBW-Deal sowohl in der Sache als auch vom Verfahren her beurteile, wollte der Sparkassenpräsident nicht beantworten. Er schwieg auch zur Frage, ob er aufgrund seiner besonderen fachlichen Kompetenz hätte erkennen können, dass das Milliardengeschäft auf unzureichender Grundlage erfolgte und sogar strafrechtlich relevant sein könnte.