Der laxe Umgang mit den EU-Fahndungssystemen geht zu Lasten der Sicherheit. Das kritisiert Armin Schuster, der Experte für innere Sicherheit der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag.

Politik/Baden-Württemberg : Bärbel Krauß (luß)
Berlin - - Kann der Schutz vor Terror in Europa verbesser werden? Der CDU-Bundestagsabgeordnete Armin Schuster meint ja und hat Ideen, wie das geht.
Herr Schuster, kann man nach den Anschlägen von Brüssel schon sicherheitspolitische Schlussfolgerungen ziehen?
Unsere bisherigen Erfahrungen haben sich bestätigt: Auch bei den Brüsseler Tätern ist klar geworden, dass sie mit ihren intensiven Reisebewegungen eine verwundbare Stelle haben. Der Paris-Attentäter Abdeslam hat ganze drei Kontrollen überstanden, ohne dass man seiner habhaft wurde. Das zeigt, dass die Fahndungsausschreibungen nicht präzise sind.

„Wir brauchen mehr Schleierfahndung an Binnengrenzen“

Was meinen Sie damit?
Der CDU Sicherheitsexperte Armin Schuster Foto: dpa
Wir haben gute Chancen, die Sicherheit zu verbessern, wenn endlich diszipliniert umgesetzt wird, was längst beschlossen ist: Wir dürfen uns beim Schengener Grenzkodex nicht nur auf die Sicherung der EU-Außengrenzen verlassen. Alle Schengen-Partner müssen an ihren Binnengrenzen eine zweite Auffanglinie ziehen, indem sie dort Fahndungsdruck erzeugen und stichprobenartige, lageabhängige Kontrollen im Grenzraum machen. Das ist das, was wir als Schengen-Schleierfahndung bezeichnen.
Was läuft da genau schief?
Wenn ein Beamter in einer Kontrolle ein Fahrzeug anhält, kann er verschiedene Abfragen machen. Schöpft er Verdacht, fragt er nicht nur Inpol in Deutschland ab, sondern auch das Schengener Informationssystem (SIS). Wenn Frankreich und Belgien aber zum Beispiel Abdeslam nicht mit allen aktuellen Informationen dort eingestellt haben, wenn er nicht zur polizeilichen Beobachtung oder Festnahme ausgeschrieben ist, wenn das Stichwort „Terrorgefährder“ fehlt, dann lässt der Beamte ihn bei der Kontrolle weiterfahren. Das ist unser wunder Punkt: Die 18 Schengen-Länder gehen sehr unterschiedlich mit dem EU-Fahndungssystem und dem vereinbarten Datenaustausch um. Einige Länder – zum Beispiel Deutschland – stellen gut ein. Manche stellen mittelprächtig ein, andere gar nicht. Deswegen gehen uns Terroristen durch die Lappen.
Wie ist Ihre Einschätzung der belgischen Disziplin im Umgang mit solchen Fahndungsinstrumenten?
Es gibt eine Liste von Ländern, die auch vier Jahre nach Ablauf der Übergangsfrist nichts oder nur unzureichend einstellen. Da taucht Belgien nicht auf – im Gegensatz zu Dänemark, Griechenland, Portugal, Irland, Italien, Großbritannien, Kroatien und Tschechien. Hinzu kommt, dass die meisten Staaten gar keine Hinterland-Fahndung mehr machen. Das praktizieren zuverlässig nur noch die Schweiz und Deutschland.

„Der Bund muss 5000 zusätzliche Polizisten einstellen“

Das klingt, als gebe es in der Bundesrepublik keinen Nachholbedarf?
In der Gesetzgebung haben wir mit Antiterrorgesetzen gut vorgearbeitet. Nötig ist jedoch eine Trendumkehr bei den Haushalten der Sicherheitsbehörden von Bund und Ländern. Der Bund hat damit 2015 und 2016 schon begonnen. Ich schätze, dass wir bis 2020 für Bundeskriminalamt, Bundespolizei, Verfassungsschutz und für das Bundesamt für die Sicherheit der Informationstechnik noch rund 5000 Stellen schaffen müssen. Bei den Ländern vermisse ich solche Bemühungen bisher.