Im Vatikan herrscht akuter Beratungsbedarf. Dass das auch öffentlich zugegeben wird, zeigt: die Lage ist ernst. Bei einem Treffen geht es erneut um die gestohlenen Dokumente und um Personalentscheidungen.

Rom - Im Vatikan herrscht akuter Beratungsbedarf. Dass das auch noch öffentlich zugegeben wird, zeigt: die Lage ist ernst. Diesen Samstag hat Benedikt XVI. zuerst einmal seine „Minister“ um sich versammelt, die Chefs der Kurienbehörden also. Das geschieht höchstens jedes halbe Jahr, aber nicht regelmäßig. Am Abend hat er – eine Neuheit – auch noch „fünf Weise“ einbestellt: fünf Kardinäle aus aller Welt.

 

Der Papst, sagt Vatikansprecher Federico Lombardi, wolle auf die „durch die Veröffentlichung geheimer Dokumente entstandenen Lage“ reagieren und seine „Überlegungen vertiefen“ im Kreis solcher Personen, „die mit ihm die Verantwortung für die Kirchenleitung teilen“. Die Gespräche würden im Laufe der Woche fortgesetzt, betont Lombardi; es kämen ja viele Würdenträger von außerhalb, um – kommenden Freitag – mit Benedikt das Fest der Apostelfürsten Petrus und Paulus zu feiern.

Ein Kommunikationsberater aus den USA

Lombardi und zuvor schon der Stellvertretende Chef des Staatssekretariats, Erzbischof Angelo Becciù, räumen ein, dass sich der Papst sehr um die Glaubwürdigkeit der Kirche und das Vertrauen gegenüber der Kurie sorgt. Und wenn Lombardi ausdrücklich zugibt, dass in der Kirchenleitung auch wieder „ein ruhiges Klima“ hergestellt werden soll, lässt dies auf den augenblicklichen Zustand schließen.

Ferner legt sich der Vatikan nun einen hochprofessionellen „Kommunikationsberater“ zu. Der US-Fernsehjournalist Greg Burke (52) soll – nach Vorbild der Kommunikationschefs und „Spin Doctors“ im Weißen Haus – dafür sorgen, dass „Medienpannen“ wie die Veröffentlichung geheimer Dokumente nicht mehr vorkommen und dass das Erscheinungsbild von Papst und Kirche in den weltlichen Medien wieder strahlend weiß wird.

Schon in den vergangenen Wochen waren auffallend viele hohe Vatikan-Funktionäre mit Interviews an die Öffentlichkeit getreten, in denen sie die Geschlossenheit der Kurie um den Papst betonten oder – wie Kardinalstaatssekretär Tarcisio Bertone – gegen eine Art Journalistenverschwörung von außen polemisierten und jeglichen internen Fehler leugneten.

Personalentscheidungen werden erwartet

Bei den Beratungen dieser Tage geht es um schwierige Personalentscheidungen: Bleibt der umstrittene Bertone? Wie lange noch? Oder braucht man den neuen „Kommunikationsberater“ dazu, eine Zwangspensionierung zum ehrenvollen Abschied umzudefinieren? Die nächste Frage: Wer wird Chef der Glaubenskongregation? William Joseph Levada (76), der farb- und glücklose Amerikaner, will seit geraumer Zeit in Rente gehen. Die Suche nach einem Nachfolger aber zieht sich bereits außergewöhnlich lange hin. Will der Papst zuerst die Einigung oder die endgültige Trennung mit den traditionalistischen Piusbrüdern unter Dach und Fach bringen? Nicht auszuschließen. Gerüchte im Vatikan raunen aber auch Pannen und Absagen.

Das gilt genauso für den Renommee-Posten des Chefs der Vatikanbibliothek. Es heißt, auch dafür habe der Papst einen hochrangigen Theologen auserkoren, dieser habe aber eher nach der Glaubenskongregation geschielt – jedenfalls ist auch die Bibliothek vakant. Für die Glaubenskongregation sehen italienische Journalisten schon lange den früheren Münchner Dogmatikprofessor und jetzigen Regensburger Bischof Gerhard Ludwig Müller (64) in der „Pole Position“. Er selbst sieht sich, nach einem für vatikanische Gepflogenheiten geradezu provozierenden Interview durchaus im engsten Kreis der Kandidaten. Im Rat der Glaubenskongregation sitzt Müller bereits; vor ein paar Tagen hat ihn Benedikt XVI. auch in den Rat der Ökumenebehörde und der Bildungskongregation geholt. Aber ist das ein Vorzeichen für eine weiter gehende Karriere Müllers? Oder, was man auch munkelt, ein Trostpreis für eine entgangene, höhere Stelle?