Alte Hasen auf der Leinwand: Charlotte Rampling und Tom Courtenay sprechen über die Liebe, das Leben und frühere Zeiten. In dem Film „45 years“ spielen sie ein alterndes Ehepaar, dessen Glück plötzlich zerbricht.
10.09.2015 - 16:58 Uhr
Berlin - Gemeinsam haben sie 147 Jahre auf dem Buckel, wie man so uncharmant sagt, und vor allem eine Unzahl von Film-, Fernseh- und Theaterrollen. Charlotte Rampling gelang Mitte der Sechziger Jahre mit einer Nebenrolle in „Georgy Girl“ der Durchbruch, bevor sie mit Filmen wie Viscontis „Die Verdammten“ für Kino-Skandale sorgte und später in Frankreich nicht zuletzt dank François Ozon („Swimming Pool“) ein großes Comeback feierte. Tom Courtenay war bereits 1966 für „Doktor Schiwago“ für den Oscar nominiert, dann lange auf britischen Bühnen zu sehen und zuletzt etwa in Dustin Hoffmans „Quartett“ mit von der Partie. Nun spielen sie in „45 Years“ von Andrew Haigh ein lange verheiratetes Ehepaar – und wurden dafür im Februar auf der Berlinale mit den Silbernen Darsteller-Bären ausgezeichnet. Wir trafen sie kurz vor der Preisverleihung in Berlin.
Miss Rampling, Mr. Courtenay, „45 Years“ ist ein feinsinniger und stiller Film, der von den kleinen Momenten lebt. Gibt es einen, der Ihnen besonders wichtig war?
Rampling Als Schauspieler ist das immer so viel schwieriger zu beantworten als für einen Regisseur. Vor allem, wenn es um den fertigen Film geht, denn anders als der sehen wir ihn ja nicht immer und immer wieder. Im Grunde verbringen die Schauspieler viel weniger Zeit mit ihrem Film als jeder andere daran Beteiligte. Aber immerhin hatte ich vor der Berlinale zumindest zweimal die Gelegenheit, „45 Years“ auf DVD zu sehen – und ich bin beide Male bei der gleichen Szene hängengeblieben. Welche genau, kann ich Ihnen gar nicht sagen. Doch: der Moment, in dem Tom und ich darüber sprechen, warum es so wenige Fotos von uns gibt.
Courtenay Meine war eine andere. Da sitzen wir zusammen im Auto und fahren zu der Party. Aber ich glaube, die gefiel mir vor allem deswegen, weil ich da endlich einmal frisch rasiert bin und etwas Schickes anhabe. Den Bart loszuwerden war bei diesem Film für mich ohne Frage ein wichtiger Moment!
Halten Sie es für ein realistisches Szenario, dass eine glückliche Beziehung nach 45 Jahren aus der Bahn geworfen wird als herauskommt, dass der Mann lange vor ihrer Zeit schon eine andere große Liebe hatte?
Courtenay Ach, letztlich glaube ich, dass jede Beziehung erschüttert werden kann, ganz gleich wie glücklich sie ist.
Rampling Ich kann das auch gut nachvollziehen. Zumal es eben zwischen den beiden Protagonisten in unserem Film etwas gibt, das nie wirklich gelöst wurde. Es liegt da am Grund ihrer Beziehung vergraben und wird dort immer größer, je länger es dort liegt. Irgendwann aber bricht es aus wie eine Naturgewalt – und natürlich tun sich dadurch Brüche in dieser Ehe auf. Mich hat es fasziniert, wie diese heile Welt auf einmal zerrissen wird, selbst wenn es aus meiner persönlichen Sicht gar keinen logischen Grund gibt, warum Kate eifersüchtig ist. Die andere Frau war vor ihrer Zeit, das ist 50 Jahre her. Aber sie verliert die Kontrolle – erst durch seine, dann durch ihre eigene Reaktion auf die Sache – und weiß irgendwann nicht mehr, wie ihr geschieht.
Das Wühlen in der Vergangenheit, kennen Sie das von sich selbst?
Courtenay Wühlen trifft es nun nicht unbedingt. Aber meine Güte, ich werde kommende Woche 78 Jahre alt. Da kann man schon mal wehmütig zurückblicken. Oder zumindest erfreut darüber sein, wie viele tolle Erfahrungen man in all den Jahren gesammelt hat. Mir gefiel der nostalgische Zug meiner Figur in „45 Years“ auf jeden Fall. Ich selbst erinnere mich auch sehr gerne.
Wie sehen Sie das, Miss Rampling?
Rampling Ich bin nicht nostalgisch. Nicht dass ich die Vergangenheit unterdrücke oder ihr aus dem Weg gehe. Aber ich glaube, dass ich mich damit schon vor vielen Jahren auseinandergesetzt habe. Dass plötzlich etwas aus einer Eisspalte hervorkommt und mich unerwartet heimsucht, so wie es im Film der Fall ist, könnte mir also nicht passieren. Heute aber trage ich meine Vergangenheit einfach nur mit. Sie ist ein Teil von mir. Nicht mehr, nicht weniger.
Zwischen Ihren beiden Karrieren gibt es durchaus Parallelen: Sie begannen in den Sechziger Jahren, hatten früh Erfolg, verschwanden später ein wenig von der Bildfläche und sind zuletzt präsenter denn je...
Rampling Diese Mittelphase war bei mir selbst gewählt. Ich wollte mich eine Weile fernhalten vom Showgeschäft, denn ich brauchte den Ausgleich zum Künstlerleben. Also entschied ich mich für einen ganz normalen Alltag in meinem Haus und Garten außerhalb Paris, mit meinen Kindern, meinem Ehemann, meinen Tieren. Aber die Schauspielerei war für mich immer mehr als ein Job, daher stand es wohl außer Frage, dass ich auch irgendwann wieder vor die Kamera zurückkehre.
Courtenay Bei mir ging es nie um eine echte Auszeit. Ich konnte nur der Arbeit beim Film eine Weile nichts abgewinnen. Das fing schon früh an, beim Dreh zu „Die Nacht der Generale“ Ende der Sechziger Jahre. Es dauerte ein bisschen, bis ich das Drehen tatsächlich sein ließ. Aber letztlich verschlug es mich ans Theater nach Manchester, wo ich hängen blieb und in den Siebzigern schließlich auch an der Gründung eines neuen Theaters beteiligt war.
Hat sich denn das Geschäft sehr verändert?
Rampling Vielleicht sind wir die Falschen für diese Frage. Ich zumindest. Einfach weil ich nie wirklich viel in dieser Hollywood-Maschinerie gearbeitet habe und schon damals in den Sechzigern ganz bewusst Rollen in großen Mainstream-Produktionen abgelehnt habe. Dass deren Entstehung heute ganz anders verläuft als noch vor 20 oder 30 Jahren, kann ich mir gut vorstellen. Aber die europäischen und Independent-Filme, für die ich gemeinhin vor der Kamera stehe, werden eigentlich heute kaum anders gedreht als früher.
Also unterscheidet sich auch ein Regisseur wie Andrew Haigh bei „45 Years“ letztlich nicht von den Filmemachern, mit denen Sie in den Sechzigern arbeiteten...
Rampling Jeder Regisseur ist anders, heute wie damals.
Courtenay Mir fällt es auch schwer, jemanden wie Haigh mit Regisseuren wie David Lean oder Tony Richardson zu vergleichen, mit denen ich früher zusammengearbeitet habe. Und zwar nicht, weil sich deren Arbeit so verändert hätte. Sondern weil ich mich so verändert habe. Ich bin heute ein alter Mann und ohne Frage nicht mehr der gleiche Schauspieler wie früher. Wobei ich vielleicht schon erwähnen sollte, dass Lean in einer eigenen Liga spielte. Schon allein weil er damals bei „Doktor Schiwago“ auf der Höhe seines Erfolges war und mehr Zeit und Geld zur Verfügung hatte als jeder andere Regisseur, mit dem ich seither zusammengearbeitet habe.