Die Gemeinde Salach will attraktiver werden – zum Beispiel mit Philosophenbänken und Schnurkunst. Die Göppinger StZ-Redaktion ist dazu geteilter Meinung.

Als Ausflugsziel ist Salach nun wirklich nicht bekannt. Auch zum Einkaufen zieht es Auswärtige eher in die Nachbarstädte Süßen und Eislingen als nach Salach. Das soll sich aber ändern. Immerhin hat die Gemeinde eine große Charmeoffensive gestartet. Der Ort soll attraktiver werden. Dass dies auch ohne große Mittel machbar ist, dafür mit umso mehr Engagement, zeigen die ersten Projekte. Als Nächstes sollen Treppengeländer, Absperrpoller und Ähnliches im öffentlichen Raum mit einem bunten Wollkleid versehen.

 

Wolle ist ein Salacher Markenzeichen

Betreut wird die Salacher Charmeoffensive von der Wirtschaftsförderin Christina Russ: „Wir haben einen Runden Tisch mit den Einzelhändlern und haben uns mal den Ortskern angeschaut. Da haben wir noch einige Ecken entdeckt, die ein bisschen mehr Farbe vertragen könnten“, sagt Russ. Da sei man auf „Schnurkunst“ verfallen. Vorbild ist die südbadische Gemeinde Riegel am Kaiserstuhl. Dort sind Brückengeländer, Laternenmasten und Baumstämme eingestrickt in Wolle, die aus Salach kommt. Die Firma Coats, ein Ableger von Schachenmayr, hat das Material gesponsort und unterstützt auch die Salacher Charmeoffensive.

Das Interesse ist groß

„Sechs Teams haben sich bei uns schon gemeldet und zwei Einzelteilnehmer. Vom Baum über Treppengeländer und Poller haben sie sich Objekte ausgesucht“, berichtet Christina Russ. Außerdem wollen sich die Eltern vom Kindergarten St. Elisabeth dessen Umfeld annehmen. Es dürfe gehäkelt, gestrickt oder auch gewebt werden. Am Ende müsse nur ein Kunstwerk aus Wolle entstehen, das den öffentlichen Raum schmücke. Bis Mitte April haben die Teilnehmer Zeit. Es können sich aber bis Ende Januar noch weitere Interessenten melden. Bei Schachenmayr gibt es für die Teilnehmer bis zu ein Kilogramm Wolle kostenlos und weitere Wolle zum Vorteilspreis. Eine örtliche Änderungsschneiderei bietet sogar Workshops zum Projekt an.

Bücher aus der Telefonzelle

Schnurkunst ist bereits das dritte Projekt der Salacher Charmeoffensive, für die die Kommune jedes Jahr 5000 Euro zur Verfügung stellt. Die erste Idee war die Bücherbude. Es handelt sich um eine ausgediente englische Telefonzelle auf dem Salacher Marktplatz, die als Leihbücherei fungiert. Jeder, der will, kann dort Bücher ausleihen, ganz unkompliziert, ohne Ausweis und Leihfrist.

Idee Nummer zwei sind die „Philosophenbänkle“. Eine örtliche Schreinerei hat dafür einen Bausatz entwickelt, den die Gemeinde wiederum an Interessenten ausgibt. Der Zusammenbau und die Gestaltung sind jedem selbst überlassen. „Es haben sich Unternehmer, aber auch Nachbarschaftsgemeinschaften dafür beworben. Zurzeit gibt es fünf Philosophenbänke, eine ist im Bau, und acht weitere sind vorbestellt“, erklärt Russ. So schmücken nun unter anderem eine Bank mit Ohren (vom Hörakustiker) oder eine WM-4-Sterne-Bank der Nachbarschaft in der Panoramastraße den Ort. Auf weitere Ideen darf man gespannt sein.

Pro: „Eine gute Idee“, meint Klaus Nonnenmacher

Charmant - In Salach werden Besucher im wahrsten Sinn des Wortes umgarnt. Wenn das keine schöne Botschaft ist aus einem Ort, der meistenteils nicht mit Liebreiz punkten kann. Doch die Industrie- und Arbeiterkommune hat ganz offensichtlich ihren Charme.

Hut ab, mit welch einfachen Mitteln die Salacher von sich reden machen. Schon die Bücherbude, keine neue, aber eine nette Idee, und die Philosophenbänke schmücken den Ort. Auch die Idee, Latternenmasten ein Strickkleid zu geben, ist keine Salacher Eigenheit. Das haben andere schon vorgemacht. Und zugegeben, nicht immer lässt sich nachvollziehen, warum jemand ausgerechnet einen Fahrradständer einhäkelt, wie die Klopapierrolle auf der Hutablage eines 1980er Ford Granada.

Jedoch: wenn Schnurkunst nicht in Salach angebracht ist, in der die bekannte Schachenmayr-Wolle ihre Heimat hat, wo sonst? So signalisiert Salach bald mit schmuckem Garn farbenfrohe Gemütlichkeit und bringt damit auch die eigene Industriegeschichte und gegenwärtige Unternehmen ins Gespräch. Und fürs Auge ist ein buntes Treppengeländer allemal schöner als allgegenwärtiger grau-schmuddeliger Zink.

Kontra: „Das braucht keiner“, sagt Andreas Pflüger

Uncharmant - Keine Frage, die Salacher Charmeoffensive ist eine tolle Sache. Die Bücherbude und die Philosophenbänke sind wirklich gute Ideen, mit denen der Ort an Aufenthalts- und Lebensqualität gewinnt. Dass sich die Gemeinde – alle Schachenmayr’sche Tradition hin oder her – nun aber dem Handarbeitswahn hingibt, muss nun wirklich nicht sein.

Häkeln und Stricken mögen ja schöne Freizeitbeschäftigungen sein, dass inzwischen deutschlandweit Verkehrsschilder, Metallpfosten, Brückengeländer und Steinsäulen mit Stoffüberzügen versehen werden, ist eine echte Manie, die binnen kurzer Zeit eher eine Verschandelung als eine Verschönerung der Umgebung ist.

Wind und Wetter ausgesetzt, von Passanten aufgezupft und von Hunden bepinkelt, werden aus den wollenen Behängen rasch überdimensionale schlampige Lappen. Selbst die hässlichen, zwischenzeitlich eingestrickten Betonstelen hinter dem Göppinger Rathaus wurden inzwischen wieder von ihrem abgetakelten Kleid befreit. Deutlich mehr Charme hätte es, das Garn sinnvoll zu verarbeiten statt es im öffentlichen Raum vergammeln zu lassen: etwa in Form von Pullovern, Schals und Socken für Bedürftige.