Seit dem Wegfall der verbindlichen Grundschulempfehlung entscheiden Eltern auf welcher weiterführenden Schule das Kind angemeldet werden soll. Der direkte Weg zum Abitur setzt klar benennbare Anforderungen voraus.

Stuttgart - Seit dem Wegfall der verbindlichen Grundschulempfehlung kommt den Eltern eine besondere Rolle bei der Wahl der weiterführenden Schule zu: Sie entscheiden, wo das Kind angemeldet werden soll. Der Trend geht klar in Richtung Gymnasium. Inzwischen besucht mehr als die Hälfte eines Jahrgangs diese Schulart. Aber nicht alle Schüler kommen dort klar, wie Pädagogen immer wieder feststellen. Doch woran können Eltern frühzeitig erkennen, ob das Gymnasium die passende Schulart ist?

 

Das Hegel-Gymnasium hat hierfür einen Fragebogen entwickelt, der unter dem Stichwort „Hinweise für Eltern von Grundschülern“ auf der Homepage abgerufen werden kann (www.hgs.s.bw.schule.de). Mit diesem Instrument können die Eltern selbst ermitteln, ob ihr Kind fürs Gymnasium geeignet ist oder nicht. „Ich lege den Eltern nahe, diesen Fragebogen einfach mit dem Kind durchzugehen“, sagt Schulleiterin Barbara Graf.

„Wir fragen nicht: Habt ihr eine Zwei oder Drei in Mathe? Wir sagen nur: Wer aufs Gymnasium geht, muss die Bereitschaft, aber auch die Fähigkeit mitbringen, sich auf ein interessantes Thema länger als eine Viertelstunde zu konzentrieren“, sagt Graf. Ein weiteres Merkmal sei: „Das Kind sollte auch schon in der Grundschule in der Lage gewesen sein, relativ selbstständig seine Hausaufgaben zu machen.“ Und noch etwas sei wichtig: „Es geht uns um sehr neugierige Kinder, die, wenn sie etwas wissen wollen, nicht nach einem Satz mit der Erklärung zufrieden sind.“

Das Kind soll den Eltern die Unterrichtsinhalte erzählen

Neben der Neugier sei auch ein gewisses Selbstvertrauen vonnöten, um im Gymnasium bestehen zu können, meint Graf. So sollten Eltern sich fragen: „Vertraut das Kind seiner eigenen Leistungsfähigkeit? Traut es sich zu, neue Dinge zu lernen?“ Nur dann, so die Schulleiterin, sei das Kind auch mutig und offen gegenüber Neuem.

„Es geht auch um eine Zähigkeit, eine innere Energie: Ich will das“, betont Graf – „ob das Einradfahren, Chinesischlernen oder das Beherrschen eines Musikinstruments ist, ist sekundär.“ Zu hinterfragen sei auch, ob die Erfolge der Kinder in der Grundschule aus eigenem Tun heraus entstanden seien oder aufgrund eines langjährigen Nachhilfetrainings. „Auf Kinder, die seit der zweiten Klasse Nachhilfeunterricht bekommen, können wir verzichten“, sagt die Geschäftsführende Schulleiterin der Stuttgarter Gymnasien – auch wenn das hart klingt. Doch sie denke dabei auch an das betroffene Kind: „Für das wäre weniger Druck wünschenswert.“

Dass Eltern ihr Kind begleiten, dürfe nicht darin bestehen, neben dem Kind zu sitzen, wenn es die Hausaufgaben mache. Sie empfehle stattdessen: „Lassen Sie sich vom Kind die Inhalte des Unterrichts erzählen.“

Bei der Wahl Schulart geht es um viel

In dem Fragebogen des Hegel-Gymnasiums geht es übrigens auch um Dinge wie Lerntempo, Belastbarkeit, Leistungsfreude, Begeisterungsfähigkeit, Merkvermögen, etwa was Liedtexte, Gedichte, Zahlen, Zusammenhänge angeht. So heißt es darin unter anderem: „Lernt mein Kind gern? Zeigt es Freude am Denken und Nachdenken? Lässt es sich anregen, über Dinge nachzudenken oder Probleme zu lösen? Stellt es Fragen?“

Und was, wenn den Eltern schließlich doch Zweifel daran kommen, ob das Gymnasium die richtige Schulart für ihr Kind ist? „Dann rate ich den Eltern, sich an der Grundschule noch mal beraten zu lassen – wir halten viel von den Tests der Beratungslehrer dort“, sagt Graf. Eine weitere Anlaufstelle sei in solchen Fällen auch die Schulpsychologische Beratungsstelle.

Schließlich geht es um viel. Nämlich darum, dass die Weichen für die Schullaufbahn richtig gestellt werden. Doch dauerhafte Überforderung helfe niemandem. „Kinder brauchen Erfolgserlebnisse“, sagt die Pädagogin. Bleiben diese aus, wirkt sich das wiederum negativ auf das Selbstbild und auf das Lernverhalten aus. Ein Teufelskreis, der zu massiver Schulangst führen kann. Oder auch zu Verhaltensauffälligkeiten, wie die Stuttgarter Gymnasialleiter zunehmend beobachten, besonders bei den Fünftklässlern.

Vielleicht sollte der Fragebogen auch noch um folgende Punkte ergänzt werden, die früher wohl eher als selbstverständlich vorausgesetzt wurden. Nämlich: Kann mein Kind zuhören? Ist es willens und in der Lage, sich an Regeln zu halten? Ruft es ständig dazwischen, oder kann es Lehrer und Mitschüler ausreden lassen?