Der Notenbankchef von Nigeria wirft den Chinesen Kolonialmethoden vor. Fast noch schlimmer: Vom chinesischen Engagement in Afrika profitieren nur die Eliten. Bei den Armen kommt so gut wie nichts an.

Nairobi - Die Flitterwochen sind vorbei. Zwar wird Präsident Xi Jinping im Rahmen seiner ersten Auslandreise als chinesischer Staatschef nach dem russischen Nachbarn Anfang kommender Woche auch drei afrikanische Länder aufsuchen – ein Hinweis darauf, wie wichtig dem Reich der Mitte seine enge Beziehung zu dem erwachenden Kontinent nach wie vor ist. Doch während sich die Repräsentanten Pekings bei ihren Afrikabesuchen bisher stets überschwänglicher Sympathiebeteuerung und dankbarer Lobreden sicher sein konnten, wird Xis Besuch auch von andern Tönen begleitet: Mit dem nigerianischen Notenbankchef Lamido Sanusi gab in der vergangenen Woche erstmals ein afrikanischer Amtsträger aus der ersten Reihe eine Breitseite auf die einst im Kampf gegen den Kolonialismus verbündete asiatische Brudernation ab.

 

China spiele auf dem afrikanischen Kontinent heute die Rolle des Kolonialisten, wetterte der renommierte Notenbankchef in einem Beitrag für die „Financial Times“: Das Reich der Mitte „nimmt unsere Bodenschätze und verkauft uns seine Industrieprodukte“ – genau wie das einst unter den europäischen Kolonialmächten üblich war. Damit leiste China „einen entscheidenden Beitrag zur De-Industrialisierung und Unterentwicklung“ des Kontinents, fuhr Sanusi fort: „China ist kein Entwicklungsland wie wir mehr, sondern als zweitgrößte Wirtschaftsnation der Welt zu denselben Ausbeutungspraktiken wie der Westen in der Lage.“ Es sei höchste Zeit, dass die Afrikaner „die Realitäten ihrer Romanze mit China“ erkennen, meint der ernüchterte Notenbankchef. Dass China maßgeblich zum überraschenden afrikanischen Wirtschaftsaufschwung des vergangenen Jahrzehnts beigetragen hat, ist unter Fachleuten unumstritten. Das Handelsvolumen zwischen dem Reich der Mitte und dem einstigen Kummerkontinent schoss von zehn Milliarden Dollar zur Jahrtausendwende auf fast 200 Milliarden im vergangenen Jahr um das Zwanzigfache in die Höhe: Das anhaltende Wirtschaftswachstum von jährlich sechs Prozent im afrikanischen Durchschnitt ist vor allem den dank der chinesischen Nachfrage steigenden Rohstoffpreisen sowie den Investitionen aus dem Reich der Mitte zuzuschreiben. Letztere machten allein im vergangenen Jahr zwanzig Milliarden Dollar aus.

Die Eliten profitieren

Von dem chinesischen Interesse profitieren allerdings vornehmlich Afrikas Regierungen und Eliten: Sie streichen die höheren Rohstoffeinnahmen ein und genießen die Vorteile der chinesischen Investitionen in die Infrastruktur. Was Chinas wachsendes Engagement jedoch nicht hervorbringt, sondern durch seine Billigexporte nur noch weiter gefährdet, sind Arbeitsplätze: Zu deren Schaffung wäre Industrialisierung desn Kontinents nötig – in Wahrheit aber geht der Prozentsatz in Afrika hergestellter Produkte angesichts der Importe aus China sogar immer weiter zurück. „Wir müssen China als den Konkurrenten sehen, der er in Wirklichkeit ist“, fordert Sanusi.

Einsicht bei den Chinesen?

Der Ausbruch des Notenbankchefs wurde in Peking durchaus wahrgenommen. Das rapide Wachstum der afrikanisch-chinesischen Handelsbeziehungen habe tatsächlich zu „Wachstumsschmerzen“ geführt, räumte Chinas Vizeaußenminister Zhai Jun Ende vergangener Woche ein: „Wir sollten nicht nur auf die Quantität, sondern auch die Qualität unserer Beziehungen achten.“ Statt „Fische zu fangen, indem man den Teich ablässt“, müssten chinesische Unternehmen afrikanische Volkswirtschaften bei der Elektrizitätsgewinnung, in der Landwirtschaft, Textilindustrie und bei der Telekommunikation unterstützen.

Ob sich der asiatische Riese jetzt gleich reumütig vom neokolonialen Konkurrenten zum hilfreichen Partner wendet, muss indes bezweifelt werden: Doch zumindest haben die zunehmend kritischen Töne aus Afrika jetzt zu einer chinesischen Charmeoffensive geführt. Peking will sieben Milliarden Dollar in die Verstärkung seiner medialen Präsenz in Afrika pumpen, um sein Image aufzupolieren: Neben einer massiven Aufstockung des Korrespondentennetzes des staatlichen Fernsehsenders CCTV und der Verbreitung der Nachrichtenagentur Xinhua über afrikanische Mobilfunknetze gibt es seit Dezember auch die Wochenzeitung „Africa Weekly“. Deren Chefredakteur Zhu Ling sieht das chinesisch-afrikanische Verhältnis für als eine Liaison, die „komplex“ sei und „nicht immer richtig verstanden“ werde. „Wir werden das gerade rücken“, fügt er hinzu.