Unternehmen aus dem Reich der Mitte wählen als Standort für neue Aktivitäten bevorzugt Düsseldorf. Das geht aus einer aktuellen Studie der Beratungsgesellschaft EY hervor.

Stuttgart - Für chinesische Investoren ist Deutschland ein attraktiver Standort. Unternehmen aus dem Reich der Mitte haben dabei nicht nur Interesse an der Übernahme hiesiger Firmen, sondern sie errichten auch neue Vertriebsniederlassungen, Entwicklungszentren und Fabriken. Solch neue Aktivitäten hat die Stuttgarter Beratungsgesellschaft EY – früherer Name Ernst & Young – in den Fokus einer Untersuchung gestellt. Insgesamt 68 dieser Investitionsprojekte haben die Chinesen im vergangenen Jahr hierzulande durchgeführt, im Jahr zuvor waren es erst 46, so ist in der Studie nachzulesen. Im vergangenen Jahr seien so mehr als 500 Arbeitsplätze entstanden, schreibt EY. Im Jahr zuvor lag die Zahl der geschaffenen Stellen wegen einiger Großprojekte allerdings noch dreimal höher.

 

Seit einigen Jahren expandierten chinesische Unternehmen verstärkt ins Ausland. Der Trend werde auch anhalten, vermutet Yi Sun, Partnerin von EY Deutschland. „Die Werkbank der Welt zu sein genügt den chinesischen Unternehmen schon lange nicht mehr. Sie wollen selber im Ausland expandieren und sich neue Märkte erschließen“, erläuterte Sun. Zudem verfolgten sie das Ziel, sich als Innovator darzustellen. Dafür benötigten sie aber den Zugriff auf europäisches Wissen, sagt die EY-Beraterin. Üblicherweise kaufe ein chinesisches Unternehmen hierzulande zunächst eine Firma, um mit den in der Folge gewonnenen Erfahrungen den Standort auszubauen. Dabei komme dem Wissen der hiesigen Mitarbeiter ein besondere Bedeutung zu, heißt es in der Studie.

Das große Interesse an Deutschland begründet EY-Beraterin Sun auch mit der starken industriellen Basis sowie der günstigen Lage inmitten Europas. Inzwischen hätten sich zahlreiche chinesische Firmen hierzulande erfolgreich angesiedelt, was wiederum in China den guten Ruf Deutschlands als Investitionsstandort untermaure, schreibt die Beratungsgesellschaft. „Diese Entwicklung gewinnt eine positive Eigendynamik, von der sowohl die chinesischen Unternehmen als auch der Standort Deutschland profitieren“, so Sun. Die chinesischen Unternehmenskäufe in Europa hatte die Beratungsgesellschaft bereits Anfang des Jahres unter die Lupe genommen. Damals war von einem Höchststand bei den Akquisitionen die Rede; im Mittelpunkt stand wiederum Deutschland. Nach diesen Angaben haben 26 deutsche Unternehmen im vergangenen Jahr einen neuen chinesischen Eigentümer erhalten; europaweit waren es 120 Firmen. Beliebt waren Zukäufe aus der Auto- und Konsumgüterindustrie sowie aus der Immobilienbranche.

Gefragtester Standort ist Nordrhein-Westfalen

Wer jetzt vermutet, dass in der aktuellen Studie Baden-Württemberg wegen seiner Wirtschaftskraft im Fokus chinesischer Investitionsinteressen steht, irrt. Gefragtester Standort für Investitionsprojekte in Deutschland ist Nordrhein-Westfalen – und hier vor allem Düsseldorf. Die Hauptstadt des Bundeslandes habe sich als „Top-Region“ etabliert, schreiben die Berater von EY. Insgesamt 32 Projekte, doppelt so viele wie im Jahr zuvor, wurden im vergangenen Jahr in Düsseldorf gezählt. Auf Platz zwei in der Rangliste der Städte folgt London mit 20 Aktivitäten. In Baden-Württemberg wurden dagegen nur acht Projekte gezählt; sieben davon in Stuttgart.

Die große Bedeutung Düsseldorfs resultiere aus seinen traditionell engen Beziehungen zu asiatischen Ländern – vor allem Japan –, seiner verkehrsgünstigen Lage sowie aus der Industriebasis in den Bereichen Chemie, Stahl und Maschinenbau, heißt es in der Studie. „In Düsseldorf gibt es eine stark wachsende chinesische Community, die sich hier willkommen fühlt und von der Stadt nach Kräften unterstützt wird“, urteilt EY-Beraterin Sun.

Deutschland ist innerhalb Europas für chinesische Investoren übrigens mit großem Abstand attraktivster Standort. In Großbritannien, die in der EY-Rangliste auf Platz zwei rangieren, haben die Stuttgarter Berater 29 Investitionsprojekte gezählt. Im Jahr zuvor wurden in Großbritannien 27 Projekte gezählt. Frankreich folgt auf Platz drei der Rangliste mit 14 Projekten. Europaweit hat EY insgesamt 153 Aktivitäten gezählt, 31 mehr als im Jahr zuvor. Nicht nur in Europa expandieren die Chinesen, sondern auch in anderen Regionen der Welt werden sie zunehmend aktiver. So wurden, schreibt die Beratungsgesellschaft, in Russland im vergangenen Jahr in vier Investitionsprojekten fast 4600 Stellen geschaffen.