Siemens droht ein Image-Verlust. Ein chinesischer Blogger betreibt im Internet eine Kampagne gegen den deutschen Konzern.

Peking - Siemens steht in China vor einem Imagedesaster: Am Wochenende zertrümmerten drei chinesische Prominente vor dem Pekinger Firmensitz ihre Kühlschränke - aus Protest gegen schlecht schließende Türen und miserablen Kundenservice. "Wenn Siemens seine Qualitätsprobleme weiterhin nicht eingesteht, werden wir in den nächsten Tagen einen großen Platz mieten und jeden einladen, seine ollen Siemens-Kühlschränke dorthin zu bringen und zu zertrümmern", schrieb der berühmte Blogger Luo Yonghao, der Initiator der Aktion, kurz nach dem Spektakel auf dem Mikroblogdienst Weibo, dem chinesischen Twitter.

 

Seit Wochen betreibt Luo im Internet eine Kampagne gegen Siemens angebliche Qualitätsmängel. Millionen Chinesen verfolgen die Eskalation und Chinas Medien fragen sich, warum die Deutschen nicht verhindern konnten, dass aus einer kleinen Reklamation eine ernsthafte Ansehenskrise wurde.

"Von der Mistmarke kaufe ich nie wieder etwas"

Begonnen hat der Disput am 27. September, als Luo sich in einer Mikroblogmitteilung darüber ärgerte, dass seine Kühlschranktür nicht richtig schloss. "Von der Mistmarke kaufe ich nie wieder etwas", schrieb er. "Japanische Geräte sind viel zuverlässiger." Die Nachricht wurde mehr als 9000-mal weiterverbreitet, was nicht einmal viel war, denn der Gründer einer bekannten Sprachschulkette hat im Internet mehr als eine Million Leser.

Siemens, offensichtlich darum bemüht, das Thema schnell abzuhaken, verbreitete ebenfalls per Mikroblog die Nummer des Kundendiensts, der Luos Tür reparieren könne. Es handle sich aber um einen Einzelfall, versicherte das Unternehmen. "Es liegt mit Sicherheit kein Qualitätsproblem vor." Das sah Luo anders - und bald begannen seine Anhänger ebenfalls Probleme mit ihren Kühlschranktüren zu melden, darunter Prominente wie der Rockmusiker Zuoxiao Zuzhou und der Bestsellerautor Feng Tang, die am Sonntag ebenfalls ihre Eistruhen demolierten. "Ich habe den ganzen Sommer über geschmolzenes und dann wieder gefrorenes Eis essen müssen", beschwerte sich der Rennfahrer und Blogger Han Han, der bei Chinas Jugend Superstarstatus genießt und seinen Kühlschrank demnächst auch zertrümmern will.

Um dem Sturm Herr zu werden, beauftragte Siemens Mitte Oktober die chinesische PR-Agentur Blue Focus, Luo zum Einlenken zu bewegen. Siemens werde den Kühlschrank selbstverständlich kostenlos reparieren und sei auch zu einer öffentlichen Entschuldigung bereit, übermittelte ein Mitarbeiter namens Mao Yuhui das Friedensangebot. Doch damit wollte Luo sich nicht zufrieden geben: Er forderte ein öffentliches Eingeständnis, dass Siemens Kühlschranktüren grundlegende Qualitätsmängel aufweisen. "Wenn Siemens nicht so bürokratisch und dumm wäre, könnte dieser Fall schon längst beendet sein", ließ Luo den PR-Mann ausrichten - und stellte dann einen Mitschnitt des Telefonats ins Internet. Die Webgemeinde johlte.

Siemens möchte sich zur Protestaktion nicht äußern

Wer im chinesischsprachigen Google nach Luo Yonghao und Siemens sucht, erhält inzwischen 583.000 Treffer. Alle großen Medien und Internetportale haben inzwischen über die Kühlschrank-Causa berichtet. "Internationale Unternehmen bieten in China schlechteren Standard an", kommentiert etwa die "Fazhi Wanbao".

"Obwohl die Kühlschranktür nicht ordentlich schließt, ist Siemens Mund in dieser Sache fest geschlossen." Künftig würden weniger Chinesen bereit sein, für Siemens-Geräte mehr Geld auszugeben als für andere Marken, schreibt das Magazin "China Newsweek". Das Internetportal "Donews" ist sicher, dass Siemens es dieses Jahr auf die Liste der zehn größten PR-Desaster schaffen werde. "Siemens hat nicht verstanden, wie Öffentlichkeitsarbeit in Zeiten des Internets funktioniert", findet der Kommentator. "Die Versäumnisse sind geradezu selbstmörderisch." Wie Siemens sich aus seiner brenzligen Lage befreien will, ist unklar.

Auf Anfragen der Stuttgarter Zeitung reagierte das Unternehmen nicht. Auch zur Protestaktion am Sonntag kamen die Unternehmensvertreter wohl zu spät. "Die Siemens-Angestellten sagten uns, dass ihre Vorgesetzten mit uns reden wollen, aber dann kamen sie eine halbe Stunde nicht", mokierte sich Luo. "Die deutsche Effektivität ist nicht mehr, was sie einmal war."