Sergio Canavero will spätestens in zwei Jahren den Kopf eines kranken Menschen auf den gesunden Körper eines Spenders verpflanzen. Deutsche Kollegen, darunter auch solche, die gerade eben eine Armtransplantation durchgeführt haben, kritisieren den Turiner Mediziner – sein Vorhaben sei medizinisch nicht machbar und auch nicht verantwortbar.

Stuttgart - Den Kopf eines kranken Menschen abtrennen und auf einen gesunden Körper setzen: Was zunächst unglaublich klingt, soll spätestens im Jahr 2017 Wirklichkeit werden – wenn es nach dem Willen des italienischen Neurochirurgen Sergio Canavero geht. Der Turiner Arzt hat angekündigt, erstmals einen menschlichen Kopf transplantieren zu wollen. Bei einer Fachkonferenz von Chirurgen will er im Juni in den USA seine Operation näher erläutern, auch einen freiwilligen Patienten hat er bereits gefunden. „Ich denke, wir sind jetzt an dem Punkt, an dem alle technischen Aspekte machbar sind“, sagte Canavero dem Wissenschaftsmagazin „New Scientist“.

 

Zurzeit ist der Turiner Mediziner abgetaucht, über seine bisherigen Stationen ist kaum etwas bekannt.Laut der Amerikanischen Akademie für Neurologische und Orthopädische Chirurgie (AANOS) beschäftigt er sich seit 30 Jahren mit der Möglichkeit einer Kopf-Transplantation.

Kollegen halten die Operation für unmöglich

Experten halten seine Pläne nicht nur für unethisch, sondern auch medizinisch nicht für machbar. „Das ist unmöglich. Das ist spekulativ, und da zeichnet sich auch nichts am weitesten Horizont ab“, sagte Professor Edgar Biemer, der in Deutschland an einer spektakulären Armtransplantation beteiligt war.

Laut „New Scientist“ will Canavero vor der Operation, an der Hunderte Ärzte beteiligt sein sollen, zunächst den Körper des hirntoten Spenders und den des Empfängers herunterkühlen, damit die Zellen möglichst lange ohne Sauerstoff überleben können. Dann sei es entscheidend, sagt er, das Rückenmark sauber zu trennen.

Genau dies halten andere Mediziner für ein Problem. Die Verbindung zwischen Kopf und Rückenmark ist ihrer Ansicht nach nicht künstlich wieder herzustellen. „Wenn ich ein Rückenmark vom Kopf abtrenne, dann ist das hin, und zwar ein für alle Mal“, sagte Professor Veit Braun, Chefarzt der Neurochirurgie am Diakonie Klinikum Siegen. „Das wird nicht funktionieren.“ Im besten Fall habe man anschließend einen Patienten mit funktionierendem Gehirn, der keine Kontrolle über seinen neuen, fremden Körper habe. „Das ist sehr unethisch.“

Das Rückenmark wie Spaghetti verkleben

Canavero will die Verbindung zwischen Gehirn und Rückenmark dem Bericht des New Scientist zufolge mit der Substanz Polyethylenglycol (PEG) erreichen. Die beiden Enden des Rückenmarks ähnelten zwei dicht gepackten Bündeln Spaghetti, die mit Hilfe von PEG dazu angeregt werden sollen, sich zu verbinden - ähnlich wie heißes Wasser trockene Spaghetti aneinander kleben lässt.

Laut „New Scientist“ hat es bereits mehrere ähnliche Versuche an Tieren gegeben. Allerdings haben sie nie länger als einige Tage überlebt. Dem Chinesen Ren Xiaoping war es 2013 gelungen, einen Mäusekopf zu transplantieren. Das Experiment von Canavero baue auf seinem Grundlagenwissen auf, sagte Ren Xiaoping. „Vergangenes Jahr hat er mich um Rat für die Operation gefragt“, erläuterte er der chinesischen „Volkszeitung“.

Canaveros plant, seinen Patienten etwa drei bis vier Wochen im Koma zu lassen. Danach, so glaubt er, könne er sprechen und nach einem Jahr Physiotherapie laufen. Etwa 36 Stunden soll der Eingriff dauern. Die Kosten werden mit zehn Millionen Euro beziffert.

Die Testperson schrecken die Bedenken nicht ab

Ein Freiwilliger ist bereits gefunden: Der 30-jährige russische Programmierer Waleri Spiridonow will seinen Kopf auf einen gesunden Körper übertragen lassen. Er sitzt im Rollstuhl. Aufgrund seiner Krankheit Morbus Werdnig-Hoffmann leidet er an schweren körperlichen Verformungen. „Ich weiß, dass ich sterben kann. Aber ich mache keinen Rückzieher mehr“, sagt Spiridonow. „Niemand kann sich vorstellen, wie es ist, mit diesem zu leben“. Seine Krankheit, sagt er, hätte aufgrund des Abbaus bei Muskeln, Gewebe und Organen schon längst zum Tod führen sollen.

Vor zwei Jahren erfuhr Spiridonow von dem „interessanten“ Projekt. Er habe nicht mehr viel Zeit und wolle der Erste sein. „Du fühlst dich wie der Held eines Science-fiction-Romans, fast so, als würdest du in den Kosmos fliegen“, sagte Spiridonow.

Doch selbst Canavero sieht bei der Kopf-Transplantation Probleme auf sich zukommen. „Der wirkliche Stolperstein ist die Ethik“, sagte Canavero. „Sollte so ein Eingriff überhaupt durchgeführt werden? Es wird viele Menschen geben, die das nicht so sehen.“