Der Sternekoch Christian Rach tischt uns im ZDF „Die Geschichte des Essens“ auf – und ruft im Gespräch mit der StZ das Fernsehen zu mehr Realismus und Risikobereitschaft auf.

Stuttfgart – - Bei RTL war er der Restauranttester, fürs ZDF wird er jetzt zum Zeitreisenden. In historischen Kostümen führt der 57-jährige Christian Rach auf ZDF Neo und im ZDF-Hauptprogramm in die „Geschichte des Essens“ ein. Warum Kochsendungen überhaupt mehr Realismus brauchen und was es mit der „Marke Rach“ auf sich hat, erklärt im Interview.
Herr Rach, vor zehn Jahren hat Ihre Fernsehkarriere begonnen. Was hat das Fernsehen mit Ihnen gemacht?
Meine Freunde sagen: Nichts. Das ist, glaube ich, ein Kompliment. Ich bin geerdet geblieben, empfinde mich nicht als Star und laufe nicht mit erhobenem Haupt rum.
Was haben Sie gelernt?
Ich dachte, man geht raus und darf das reale Leben abbilden. Aber leider ist es oft im Fernsehen, aber auch in der schreibenden Presse so, dass die Macher mit einer Zielsetzung rausgehen und versuchen, diese Zielsetzung zu beweisen. Und wenn es acht Mal eine andere Antwort gibt: Es wird nur die eine, passende Antwort weitergegeben. Dieser Technik habe ich mich in den zehn Jahren erfolgreich widersetzt. Die Leistung von RTL war, dass man akzeptierte, dass ich beim „Restauranttester“ nie nach Drehbuch gearbeitet habe. Das war am Anfang ein Kampf, aber dann gab es eine große Unterstützung für diese Haltung.
Sie haben gesagt, sie vermissen bei den Öffentlich-Rechtlichen die Risikobereitschaft. Wie groß ist sie nun beim ZDF?
Sagen wir es so: Die Risikobereitschaft ist in der Privatwirtschaft viel weiter verbreitet und fester verankert.
Warum haben Sie dann gewechselt?
Wenn Sie zehn Jahre erfolgreich zusammen arbeiten, schleichen sich Blockaden ein. Das ist wie in einer Beziehung, die man irgendwann aufbrechen muss. Und das ZDF ist ein großer, erfolgreicher Sender. Wir haben uns getroffen und haben die Möglichkeiten ausgelotet.
Nun ist das erste gemeinsame Projekt, „Rach tischt auf“, gefloppt. Warum?
Zunächst wegen einer ganz simplen Sache: Auf der Bühne mit sieben Kameras zu agieren, muss man einüben. Ich bin angstfrei, aber vielleicht sind meine Auftritte doch hölzern geraten. Und dann redeten bei der Gestaltung unglaublich viele Leute mit und verwässerten das Konzept. Außerdem fehlte es an Mut: Jeden Satz ließ man vorher juristisch durch zehn Anwälte klären.
Mit dem „Restauranttester“ waren Sie eine Marke. Haben Sie unterschätzt, was es bedeutet, sich neu zu erfinden?
Es ist natürlich eine große Gefahr, wenn man immer nur mit einer Sendung identifiziert wird. Das geht mir heute noch so. Mein Markenkern ist, dass ich Probleme anspreche und damit auch anecke. Aber ich bin keiner, der vernichtet, sondern einer, der aufbaut. Mich wundert vor allem, dass ich als „Fernsehkoch“ bezeichnet werde. Ich habe noch nie im Fernsehen in einer Kochsendung gestanden und gesagt: Jetzt muss das Fleisch in die Pfanne.
Was halten Sie denn von der These: Die „Halbgötter in Weiß“ in Arztserien sind von Köchen abgelöst worden, den neuen Halbgöttern, denen man bedingungslos vertraut.
Was die Leute fasziniert, sind Geschichten aus dem Leben. Und Essen und Trinken ist im Lebensmittelpunkt der Menschen angekommen. Es ist ein kulturelles Gut. In den Medien wird es als voyeuristisches Erlebnis zelebriert, als Schlüssellochgucken: Was kochen die Anderen? Oder als Wettbewerb: wer ist der Beste? Wir leben alle in Rankings, und so wollen wir es auch beim Essen und Trinken haben. Ein bisschen Dekadenz schwingt da schon mit, aber von Halbgöttern würde ich nicht sprechen – wenngleich Essen und Trinken als mediales Ereignis nicht mehr wegzudenken sein.
Was sollte sich ändern?
Wir brauchen mehr Seriosität. Heute geben Jugendliche als Berufswunsch Fernsehkoch an. Da läuft etwas schief. Kochen ist ein knallharter Beruf, der hohe Ausbildungsregeln hat. Leider haben viele Unternehmer noch nicht kapiert, dass sie für die Ausbildungsmisere selbst verantwortlich sind. Wenn Auszubildende morgens um acht schon anfangen und abends um 24 Uhr noch schrubben müssen, läuft was falsch.
Was kann das Fernsehen bewirken?
Wir vermitteln im Fernsehen das Gefühl, dass du in sechs Wochen alles erreichen kannst, dass du Superstar oder Superkoch werden kannst. Da ist mehr Realismus in der Art des „Restauranttesters“ notwendig,
In der „Geschichte des Essens“ sind Sie diesmal auch als Schauspieler zu sehen  . . .
Ja, kann man so sagen. Dieses Format hat mich vor neue Herausforderungen gestellt. Und die Akribie, mit der man an dieses historisch-dokumentarische Projekt herangegangen ist, war erstaunlich. Man hatte immer ein offenes Ohr für meine Anregungen. Das war eine positive Erfahrung.