Die große Verunsicherung der Niedersachsen hat auch Christian Träsch erfasst. Der hatte sich von seinem Wechsel vom VfB mehr erhofft.  

Wolfsburg - Den vielen Niederlagen und Rückschlägen, die zu ständigen Begleitern des VfL Wolfsburg geworden sind, folgen meistens recht kleinlaute Bekenntnisse. Wenn Christian Träsch das Kellergeschoss der Volkswagen-Arena betritt, spricht er meistens mit leiser Stimme und gesenktem Kopf. "Wir müssen endlich als Team auftreten", pflegt der 24-Jährige dann zu sagen, wenn wieder einmal etwas gründlich daneben - und ein weiteres Spiel verloren gegangen ist.

 

Mittlerweile hat sich Träsch entschlossen, öffentlich lieber gar nicht mehr das Wort zu ergreifen. Vor dem Wiedersehen mit seinem Ex-Club, dem VfB Stuttgart, am Samstag hat er sämtliche Interviewanfragen abgesagt. Das ist durchaus nachvollziehbar, denn er könnte dabei in arge Erklärungsnot geraten. Seit seinem Wechsel jedenfalls ist vieles anders gekommen, als sich der Profi das im Sommer vorgestellt hat. Und der große Schwung, den sich Träsch von dem Neunmillionentransfer erhofft hat, ist ihm irgendwo zwischen dem Schwäbischen und Niedersachsen verloren gegangen.

Die sportlich bessere Perspektive sah Träsch in Wolfsburg - und findet sich jetzt erneut im Abstiegskampf wieder, den der Ingolstädter nach den Erfahrungen beim VfB nicht noch einmal erleben wollte. Im zentralen Mittelfeld wollte er spielen und nicht als Außenverteidiger, als der ihn der VfB-Trainer Bruno Labbadia vorgesehen hatte - und muss inzwischen auch unter Felix Magath seinen Dienst hinten rechts verrichten. Und auch mit der persönlichen Weiterentwicklung, die er sich von seiner sofortigen Ernennung zum VfL-Kapitän erhofft hatte, scheint es zumindest bislang nicht allzu weit her zu sein.

Kann er das überhaupt?

Viele sagen, als Anführer einer erfolglosen Mannschaft müsste der Nationalspieler resoluter auftreten. Was die Frage aufwirft: Kann er das überhaupt? Wenn die Kapitänsbinde nicht seinen Arm zieren würde - man käme kaum auf die Idee, dass dieser freundliche junge Mann ein millionenschweres Bundesligateam dirigiert.

Nach 16 Spieltagen ist es offensichtlich, dass Träsch in der Rolle des Chefs noch nicht angekommen ist. Vielleicht ist die Lage dazu einfach zu verworren. Im Grunde passt es auch gar nicht zu seinem Wesen, mit der Faust auf den Tisch zu hauen und einer Krise mit lauten Worten zu begegnen. Träsch führt eine Mannschaft an, in der es keine Hierarchie und Harmonie gibt. Sein Amt sieht nach einer Aufgabe aus, die in dieser Konstellation nicht zu lösen ist.

Träsch darf für sich immerhin in Anspruch nehmen, dass er im Gegensatz zu einigen prominenten Mitspielern wie Patrick Helmes die Krisenzeit zunächst ungeschoren überstanden hat. Aber sein Wechsel von der Position als zentraler Abräumer und Ballverteiler in die Rolle des rechten Verteidigers bringt auch ihn allmählich in Not. Als "nicht bundesligareif" hat Felix Magath zuletzt vor allem seine Defensive eingestuft.

Der kollektive Mangel an Entschlossenheit

Dem Sog der allgemeinen Verunsicherung konnte sich auch Christian Träsch nicht entziehen. Der Part des Anführers, der ihm nicht gelingt, kann auf schmalen Schultern auch zur Last werden. Bei der jüngsten 1:4-Niederlage gegen Werder Bremen hatte die Defensive des VfL für den gegnerischen Torjäger Claudio Pizarro voller Ehrfurcht Spalier gestanden und viel zu zaghaft oder gar nicht eingegriffen.

Dieser kollektive Mangel an Entschlossenheit, unter dem mittlerweile auch Träsch leidet, erzeugt Handlungsbedarf. Magath möchte erneut einkaufen, aussortieren und umgestalten. Und Träsch schweigt in der Frage, ob sein strenger Chef den richtigen Ton trifft und bei seinen Personalrochaden den richtigen Kurs wählt. Es mag schlau sein, in dieser Angelegenheit keine Stellung zu beziehen. Durchschnittliche Leistungen begleitet von einem vorsichtigen Schweigen sind allerdings auch nicht die besten Beiträge eines Fußballprofis, der sich als Führungsspieler unbedingt weiterentwickeln und an Format gewinnen möchte.