In jedem zweiten Land, das das Ministerium für Entwicklungshilfe fördert, werden die Rechte von Schwulen und Lesben missachtet. Trotzdem warnt Minister Dirk Niebel vor zu viel Druck.

Mannheim - Es gibt keinen Königsweg im Umgang mit schwierigen Staaten, die die Menschenrechte missachten. Namentlich um die Rechte von Homosexuellen weltweit ging es bei einer Rahmenveranstaltung zum Christopher-Street-Day im Mannheimer Szenelokal Café Kussmann. In 46 Staaten – im Prinzip in jedem zweiten Land, das Niebels Ministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung fördert, steht Homosexualität unter Strafe. Es wird in fünf Staaten gar mit Todesstrafe verfolgt. Betroffen sind Afrika, der arabische und vorderasiatische Raum, aber auch Teile Mittel- und Südamerikas. „In einigen muslimischen Ländern steht für Homosexuelle als Todesstrafe zur Auswahl: die Steinigung, der Tod durch eine einstürzende Mauer oder durch den Sturz von einem Felsen“, berichtete Niebel dem meist männlichen Publikum. Es sei wichtig, Farbe zu bekennen, und das Recht zur sexuellen Selbstbestimmung sei ein Menschenrecht. Das Menschenrechtskonzept seines Ministeriums liefere eine Basis. Aber soll man einfach die Hilfe einfrieren?

 

Uganda wollte die Todesstrafe für Schwule

Am Beispiel von Uganda, wo in den vergangenen Jahren der Druck auf Schwule enorm zunahm und das Parlament gar die Todesstrafe einführen wollte, belegte Niebel den schwierigen Umgang mit dem Thema. Der Westen habe sämtliche Hilfe für Uganda eingestellt, erst dann habe das Parlament die Strafverschärfung vertagt. Der „Schulterschluss aller Geberländer“ sei in diesem Fall sehr wichtig gewesen, selbst US-Präsident Barack Obama habe sich eingeschaltet. Aber Niebel warnte auch vor allzu forschem Auftreten: „Wir müssen vorsichtig agieren. Eine Position der Drohung und des Drucks ist kontraproduktiv. Das sagen uns selbst die Schwulenverbände in den betroffenen Ländern.“ Werde die Hilfe eingestellt, erhöhe das die soziale Not, und der Mob der Straße werde noch aggressiver gegen die Homosexuellen, die man dann verantwortlich mache. Besser als Druck sei es, die Zivilgesellschaft zu stärken, sagte Niebel. Ein anderes Beispiel aus Afrika macht immerhin Mut: Südafrika erlaubte als erstes Land des Kontinents die gleichgeschlechtliche Ehe: Das strahle positiv aus, sagte Niebel. Südafrika werde ein „Mekka für Homosexuelle“.

Nicht am Bahnhof küssen, warnt Minister Niebel

Der Schwulenverband Ilga hat auf seiner Website eine Weltkarte über die Lage Homosexueller in den Ländern veröffentlicht. Um Reisetipps ist auch Minister Niebel dann vom Publikum gebeten worden. Ob man homophobe Staaten, boykottieren solle, wurde er gefragt. Er sei kein Freund von Boykott, er sei auch „kein Lebensberater“, sagte Niebel. Er warne aber, die Homosexualität in einem Land, in dem sie strafbewehrt sei, „auf plumpe Art öffentlich auszuleben“. Wer sich da am Bahnhof küsse, könne davon ausgehen, „dass dies ein unschöner Urlaub wird“. Auf die Frage von Journalisten, ob nicht Außenminister Guido Westerwelle (FDP) die Schwelle des behutsamen Auftretens überschritt, als er zu Beginn seiner Amtszeit weltweit mit seinem Lebenspartner auftrat, antwortete Niebel indirekt: „Ich gehe nie auf Dienstreise mit meiner Ehefrau.“ Auf einer Dienstreise stehe eine Partnerschaft ständig unter öffentlicher Beobachtung, das wolle er sich nicht antun.