Der ehrenamtliche Buchhalter des CSD-Vereins muss sich vor dem Amtsgericht verantworten. Der Mann soll über Jahre hinweg 150 000 Euro unterschlagen haben. Der Verein ist deshalb verschuldet.

Familie/Bildung/Soziales: Viola Volland (vv)

Stuttgart - Seit Jahren hat es die Interessengemeinschaft CSD Stuttgart nicht geschafft, aus dem Minus herauszukommen. Inzwischen weiß man im Verein auch, wieso die Sparbemühungen nicht gefruchtet haben. Am 30. März beginnt am Amtsgericht Stuttgart der Prozess gegen den langjährigen Buchhalter der IG CSD, die den Christopher Street Day organisiert. Das ehemalige Vorstandsmitglied soll über Jahre hinweg insgesamt 150 000 Euro veruntreut haben – in der Anklage geht es nun laut Staatsanwaltschaft um 100 000 Euro. Die Vorfälle, die vor August 2010 geschehen sind, seien strafrechtlich verjährt. Der Mann hatte sich im Sommer 2015 selbst angezeigt. Weil keine Fluchtgefahr besteht, ist er auf freiem Fuß. Das heiße nicht, dass es auf eine Bewährungsstrafe hinaus laufe, so der Pressestaatsanwalt Jan Holzner.

 

Der Vorstand der IG CSD hat von der Unterschlagung Anfang September 2015 erfahren und die Mitglieder im Oktober per Brief und im November auf einer Versammlung informiert. „Besonders treffen uns – neben dem monetären Schaden – die moralische Dimension sowie der enorme Vertrauensbruch aus der Mitte des Vereins heraus“, steht in dem Brief. Die Unterschlagung habe im Verein „für ein Erdbeben gesorgt“, sagt der CSD-Geschäftsführer Christoph Michl, der – auf den Betrug angesprochen – offen Auskunft gibt. Er ist immer noch erschüttert, derart hintergangen worden zu sein: Die Enttäuschung sei maßlos. „Man glaubt, man hat einen Freund an der Seite und dann kommt raus, dass er versucht, sich auf Kosten des Vereins einen besseren Lebensstil zu gönnen“, sagt Michl.

Ehrenamtlicher Buchhalter hat Vertrauen ausgenutzt

Angesichts des Jahresbudgets des Vereins von rund 250 000 Euro zeigt sich, wie groß der Schaden ist. Der Schuldenstand der IG CSD liegt laut Michl bei 50 000 Euro – entsprechend könnte das Vereinskonto heute deutlich im Plus liegen. Die IG CSD hat selbst Anzeige gestellt, um sich zivilrechtlich sämtliche Ansprüche zu sichern – und zwar auf 150 000 Euro.

Doch wie konnte es passieren, dass zehn Jahre lang niemand etwas gemerkt hat? Der Buchhalter sei sehr systematisch und mit hoher krimineller Energie vorgegangen, berichtet Michl. 2006, als wegen der Fußball-Weltmeisterschaft der CSD auf den August verschoben wurde, habe er das genutzt, „um uns zu suggerieren, wir müssten mit einem Schuldenberg kämpfen“. Er habe nicht nur den dreiköpfigen Vorstand getäuscht, sondern auch den Steuerberater. Es herrsche ein großer ehrenamtlicher Zusammenhalt bei ihnen – dieses Vertrauen habe der Buchhalter ausgenutzt. Die Kontoauszüge, auf denen die illegalen Abbuchungen zu sehen gewesen wären, soll er verschwinden lassen haben.

Der Mann hatte einen tadellosen Ruf

Der Mann habe bei einer großen Stuttgarter Bank gearbeitet, sei sehr konservativ und seriös im Auftreten. „Er hatte einen tadellosen Ruf“, so Michl. Auch für andere Vereine übernahm er die Buchführung – diese sollen nicht geschädigt worden sein.

Selbstangezeigt habe sich der Ehrenamtliche, der bis 2010 dem Vorstand angehört hatte, als sein Betrug kurz vor dem Auffliegen war. Der Verein hat vor zwei Jahren das Steuerberaterbüro gewechselt. Der Hintergrund war, dass man als gemeinnützig anerkannt werden wollte, was auch zum Jahreswechsel gelungen ist. Dem neuen Steuerberater fiel auf, was dem alten entgangen war: dass die Eröffnungs- nicht zu den Schlussbilanzen passten. Der Steuerberater hakte beim Buchhalter nach und wurde erst mal vertröstet. Dann soll die Selbstanzeige erfolgt sein. Seither soll der Mann keinen Kontakt mehr zur schwullesbischen Community haben. Mit dem CSD läuft die Kommunikation nur über Anwalt.

In fünf Jahren, so die Hoffnung, sind die Schulden getilgt

Die IG CSD habe Konsequenzen gezogen, betont der Geschäftsführer Michl. Die Buchhaltung wurde extern vergeben, auf ehrenamtlicher Basis habe keiner mehr die Möglichkeit, in die Kasse zu greifen. Das externe Steuerberaterbüro prüfe jede Buchung. Auch die Partner und „handelnde Personen aus der Stadtgesellschaft“ habe man informiert.

Viel Hoffnung hat man beim CSD-Verein aber nicht, einen Teil des veruntreuten Geldes wiederzusehen. „Der CSD ist aber nicht gefährdet“, betont Michl. Das Festival finde im Sommer wie üblich statt. Was das Team zudem optimistisch stimmt, ist die Aussicht, nun die Schulden loswerden zu können. Schließlich wisse man jetzt, dass das Konzept auch finanziell tragfähig ist. In fünf Jahren soll der Schuldenberg abgearbeitet sein. „Dann können wir uns mehr politische Arbeit leisten“, so Michl.