Cindy aus Marzahn galt einmal als Hoffnungsträgerin. Doch jüngst in der Show „Promi Big Brother“ hat sie nur noch eine Nebenrolle gespielt. Wie sich die Frau im pinkfarbenen Frottee-Anzug selbst entzaubert hat

Stuttgart - Welch glückliche Fügung, dass der Ton genau in dem Moment abgewürgt wurde, in dem sie ins Studio geplatzt ist, um ihre Gags auf Kosten der Bewohner von Moderationskarten zu lesen. Um abzulästern über Ronald Schill, den „Richter Notgeil“ oder über Claudia Effenberg, die personifizierte „Morbus Secondhandklamotte.“ Sie, das ist Cindy aus Marzahn. Eine Frau, die den pinkfarbenen Frotteeanzug in XXL zu ihrem Markenzeichen gemacht hat. Eine Karikatur ihrer selbst. Laut, derb, grell – und, das muss man leider auch sagen, nicht komisch.

 

Entsprechend erleichtert reagierten viele Zuschauer von „Promi Big Brother“, als Cindy aus Marzahn plötzlich nur noch die Lippen bewegte wie ein Goldfisch, man aber nicht einmal mehr ein leises Blubb hören konnte. Vielleicht wollte sie den Zuschauern mitteilen, dass sie Migräne habe oder „Milben am Kopf“, so heißt das in der Cindy-Sprache. Man wird es nie erfahren. Die Trauer hielt sich in Grenzen. Auf Twitter steht der Hashtag #PromiBB am späten Abend weit oben auf der Liste der am meisten kommentierten Themen.

Sie schont niemanden – am wenigsten sich selbst

Mit rund 2,5 Millionen Zuschauern war die am Wochenende zu Ende gegangene zweite Staffel erfolgreicher als im Vorjahr. Aber kein anderer Protagonist stand so am Pranger wie Cindy aus Marzahn. Nach der Tonstörung twitterte der TV-Satiriker Rob Vegas, der sich hinter dem Pseudonym Harald Schmidt versteckt: „Großen Applaus für den Tontechniker. Er hat uns soeben vor einem weiteren Gag von Cindy bewahrt.“ War die Störung wirklich eine Panne? Spätestens jetzt wusste man, warum Sat 1 sein weibliches Aushängeschild in dieser Show nur noch als Gastkommentatorin vor die Kamera ließ und sie mit einer 20-minütigen Web-Show abgespeist hat – zur Nachlese mit einem „Bild“-Redakteur. Wo doch gerade dieses Gipfeltreffen der Vups – der Very Unimportant Persons – eigentlich genau der Rahmen ist, in dem sie sich auch sonst bewegt. Eine Hartz IV-Empfängerin, die sich am eigenen Schopf aus dem Schlamassel zog und als Komikerin Karriere beim Fernsehen machte. Erst bei RTL, dann beim ZDF, als komische, weil ebenso vorlaute wie schlampig gekleidete Assistentin von Markus Lanz in der Samstagabendshow „Wetten, dass . . ?“ Und jetzt eben bei Sat 1.

„Princess of Plattenbau“, so hat die renommierte New York Times den Ost-Import aus dem brandenburgischen Luckenwalde einmal genannt, halb ehrfürchtig, halb belustigt. Ilka Bessin alias Cindy aus Marzahn war ja der Gegenentwurf zum deutschen Spießbürger. Pink, pummelig und ein bisschen prollig. 42 Jahre, 1,90 Meter groß, Schuhgröße 44. Eine Stehauffrau, die nicht jammert, sondern die um ihr Recht auf ein kleines bisschen Glück kämpft. Das verbindet die gelernte Köchin mit ihrer Figur. Auf der Bühne schonte sie niemanden, am wenigsten sich selber. Man lachte nicht über sie. Man lachte mit mir.

Ein Frotteeanzug ersetzt keine Moderation

Doch ach, der personifizierte Proletenwitz, er hatte sich nach Jahren abgenutzt. Mit leisem Schaudern erinnert man sich noch an die erste Staffel von „Promi Big Brother“ 2013. Da durfte Cindy die Fernseh-Show noch zusammen mit Oliver Pocher moderieren, dem TV-Rüpel vom Dienst. Und schon an dieser ersten Bewährungsprobe nach dem Wechsel zu Sat 1 scheiterte die Selbstdarstellerin. Im Container ging es plötzlich nicht mehr um sie, die Bühne gehörte den Kandidaten. Vielleicht haben sie es bei Sat 1 versäumt, ihr das zu sagen. Ein pinkfarbener Frotteeanzug ersetzt noch keine Moderation. Das war ein Fehler. Die Witzfigur eines C-Promis, die sich über andere C-Promis mokiert, wo ist da die Pointe? Humor braucht eine gewisse Fallhöhe. Die aber fehlt der 42-Jährigen.

Ist sie noch Macherin oder schon selber Kandidatin? Diese Frage hat man sich immer wieder gestellt. Man wurde Zeuge, wie sich die einst so hochgejubelte Hoffnungsträgerin der TV-Unterhaltung selbst entzaubert. Ihr Nachfolger Jochen Schropp, seinerseits eine geschmeidigere Variante des Krawallspießers, lässt sie das spüren. „Na Cindy, haben sie Dir jetzt auch schon in der Webshow das Mikro abgestellt?“, fragte er nach der Tonpanne mit kaum verhohlener Schadenfreude.

Ist die Container-Soap also der Anfang vom Ende der Karriere der Princess of Plattenbau? Sat 1 dementiert das. Es seien weitere Sendungen mit ihr geplant, heißt es in der Pressestelle. Welche, erfährt man nicht. Man kann nur hoffen, dass sie die „Mother of Big Brother“ von einer anderen Seite zeigen als die Webshow zur TV-Show. Denn auch dieses Format kommt als One-Woman-Show daher, mit Bild-Reporter Ingo Wohlfeil als Stichwortgeber. Er bemüht sich, ein bisschen mehr über die Kandidaten herauszukitzeln, als man im Fernsehen erfährt. Doch Cindy macht es ihm schwer. Sie hört nicht zu. Sie lässt ihn nicht ausreden. Sie verbreitet überhaupt den Eindruck, als seien ihr die Dramen aus dem Promi-Keller egal. Es entbehrt nicht der Tragik, dass diese demonstrative Gleichgültigkeit vielleicht die einzige angemessene Reaktion auf diesen selbstreferenziellen Zirkus der C-Promis ist: Wer im Glashaus sitzt, sollte nicht mit Steinen werfen.