Stuttgart ist eine Baustelle. Welchen Eindruck bekommt man von der Stadt, wenn momentan mit dem Doppeldecker auf Tour geht? Die StZ ist mitgefahren.

Familie/Bildung/Soziales: Viola Volland (vv)

Stuttgart - Es sind nur wenige Plätze im oberen Stock des Doppeldeckers frei, als sich der Bus von Stuttgart Marketing um 10 Uhr in Bewegung setzt. Die meisten Gäste sprechen Deutsch, aber auch zwei junge Inder sind bei der City Tour dabei. Aniket und Erpit sind aus beruflichen Gründen in der Region, nun wollen sie sich Stuttgarts schönste Seiten ansehen – aus gehobener Position. Sie haben einen Selfiestick dabei, machen schnell noch ein Handyfoto, dann holt Erpit seine Videokamera heraus. Und man selbst fragt sich, oh je. Was wird da nur auf Film gebannt? Denn, ganz ehrlich, Stuttgart war schon schöner als im Moment, während an jeder Ecke gebaut wird.

 

Beim Start an der Schillerstraße geht es los: Bauzäune, blaue und silberne Rohre am Bahnhof, das S-21-Grundwassermanagement lässt grüßen. Weiter geht’s an der Kulturmeile: auch der komplett eingerüstete Landtag mit Containern neben dran und die Landesbibliothek mit ihrer großen Baugrube vorm Haus haben schon einladender ausgesehen. Doch beim ersten Stop am Schlossplatz bleiben alle im Bus. Die Stimmung ist gut, so gut, wie das Wetter. Tatsächlich haben auch Baustellen etwas, wenn sie von der Sonne beschienen werden. Die Kräne hinterm Breuninger glänzen. Und das Schlimmste ist tatsächlich auch schon geschafft. Die Baustellen rund ums Olgaeck sind nämlich bereits geräumt. Der Bus steht nicht im Stau, sondern kommt gut durch und meistert die Acht-Prozent-Steigung der Alexanderstraße problemlos. Ein erstes kleines Raunen gibt es, als die Haußmannstraße den Blick von oben auf Stuttgart freigibt. Erpit filmt fleißig, die Kopfhörer im Ohr. Zwischen zwölf Kanälen kann man wählen, davon ist einer für Kinder und einer auf Schwäbisch. Er hat Englisch eingestellt.

Parkhäuser säumen den Weg im Neckarpark

„Hier war nichts als grüne Wiese“, erfahren die Touristen via Kopfhörer, als es wenig später durch den Osten geht. Innerhalb von nur zwölf Jahren seien 383 Backsteinhäuser gebaut worden, die fließendes Wasser und Strom hatten. Der Audio-Guide folgt der Idee, dass ein Großvater seiner Enkelin Besonderheiten über Stuttgart erzählt – und sie ihm. Es ist ein gutes Ablenkungsmittel, wenn der Bus durch hässlichere Straßenzüge fahren muss, wie am Neckarpark – immerhin, die Bäume verdecken einiges. Während der Bus unter der Bundesstraße 14 hindurch und an Parkhäusern des Werks vorbei fährt, hört man den Großvater erzählen, wie Gottlieb Daimler und Wilhelm Maybach den ersten Viertaktmotor erfanden.

Auf den Plätzen der Inder sitzt nun eine Amerikanerin, am Mercedes-Museum hat es einen Wechsel gegeben. Das ist das Prinzip der 15 Euro teuren Tour: Man kann an zehn Haltepunkten beliebig ein- oder aussteigen. Am Hallschlag verlassen sechs Leute den Bus. Rechts ein Weingut, vorne der Travertinpark, links das Römerkastell, tatsächlich, hier könnte man gut eine Pause einlegen. Inzwischen sitzen zwei Stuttgarter hinten im Bus, die sehen wollen, was ihre Stadt so zu bieten hat. „Wie viele neue Häuser hier stehen“, ist die Frau vom Hallschlag überrascht. Wenig später geht es hoch zum Burgholzhof. Wieder Weinberge, wieder herrliche Aussichten. Wäre Erpit jetzt noch da, er hätte einiges zu Filmen – ebenso am Killesberg bei der Abfahrt.

Am Killesberg werden die Handys hochgehalten

„Die Panoramastraßen am Killesberg gehören zu den beliebtesten und exquisitesten Wohngegenden Stuttgarts“, erfahren die Busgäste über den Audioguide. Die zücken ihre Handys und machen Erinnerungsfotos. Etwa 100 Minuten dauert die Tour, dann ist man zurück am Startpunkt.

Die Mitfahrer verlassen in bester Stimmung den Bus. Die Baustellen scheinen sie nicht groß gestört zu haben und auch nicht die vielen Parkhäuser am Neckarpark. „Ich habe einige Anregungen bekommen, das Bohnenviertel werde ich mir noch mal ansehen“, sagt Gundi Brenner, die vom Bodensee zu Besuch bei ihrer Tochter ist.

Trotz Baustellen – das Fazit am Ende ist positiv

„Wunderbar – wir waren in Ecken, die ich noch gar nicht kannte“, meinte auch Margit Bösenberg aus dem Kreis Böblingen, die mit ihrem Mann Dirk und dem Ehepaar Pankratz die Tour gemacht hat. Sabine und Wolfgang Pankratz reisen viel und machen oft City-Touren, zuletzt in Vancouver und San Francisco. Besonders die alten Backsteinhäuser im Stuttgarter Osten und die Weinberge haben es ihnen angetan. Ihr Fazit wird den Tourismuschef freuen: „Stuttgart hat auch viel zu bieten.“