Bei seiner Antrittsvorlesung an der Uni Tübingen konnte „heute-journal“-Moderator Claus Kleber keine konkreten Vorschläge für die Rettung des Qualitätsjournalismus’ bieten. Einen Abgesang auf die Massenmedien hielt er aber für unangebracht.

Kultur: Ulla Hanselmann (uh)

Stuttgart - Der „heute-journal“-Moderator Claus Kleber hat an der Universität Tübingen seine Antrittsvorlesung als Honorarprofessor für Medienwissenschaft gehalten. „Rettet den Journalismus! Wozu?“ lautete der Titel seines Vortrags, den er am Dienstagabend im heillos überfüllten Festsaal in der Neuen Aula hielt.

 

Um den radikalen Umbruch, der sich der Medienwelt vollzieht, zu veranschaulichen, schwelgte der 59-Jährige zunächst in Erinnerungen an seine Zeit, als er als Mitarbeiter beim SWR auf dem Tübinger Österberg noch „Herr über den Nachrichtenstrom“ war. Inzwischen bestimmten Internet-Giganten wie Google, Facebook und Apple das rasante globale Geschäft mit Nachrichten und Informationen.

Der Buch- und Filmautor, der in Tübingen Jura studiert hatte, veranschaulichte den Wandel anhand von Ereignissen wie dem Anschlag auf das französische Satiremagazin „Charlie Hebdo“: Von 21,5 Millionen Menschen im Alter zwischen 14 und 39 Jahren hätten an diesem Tag nur 1,9 Millionen klassische TV-Nachrichten verfolgt, der Rest informierte sich mit Hilfe der sozialen Medien im Netz. Kleber verstand es, mit launigen, aber aufschlussreichen Anekdoten, etwa von einem Treffen mit dem Amazon-Gründer Jeff Bezos, sein Publikum zu unterhalten – und die gravierenden gesellschaftlichen Auswirkungen der Medienrevolution plastisch zu machen. „Datenbanken und Algorithmen werden die nächsten Präsidentschaftswahlen in den USA entscheiden“, sagte der ehemalige US-Korrespondent und wies so auf die Gefahren des individualisierten Nachrichtenkonsums hin, der durch Empfehlungen von Freunden in den sozialen Medien bestimmt werde.

Keine konkreten Vorschläge

Einen Abgesang auf die Ära der Massenmedien hielt er jedoch für unangebracht: „Es gibt immer noch ein Bedürfnis nach Journalismus“. Konkrete Vorschläge aber, wie sich der Qualitätsjournalismus in die Post-Gutenberg-Epoche hinüberretten kann, blieb der gebürtige Reutlinger schuldig. Sein Publikum spendete ihm dennoch langanhaltenden Applaus.

Kleber ist der erste Honorarprofessor am Institut für Medienwissenschaft in Tübingen; vom Wintersemester an wird er Studierende regelmäßig in Blockseminaren unterrichten.