Die Böblinger Clemens Binninger und Richard Pitterle agierten als Bundestagsabgeordnete jahrelang im Zentrum der Macht. Nun verlassen sie das Parlament – der CDU-Mann Binninger freiwillig, der Linke Pitterle gezwungenermaßen. Ein Abschlussgespräch.

Berlin - Wichtige Entscheidungen mussten die Bundestagsabgeordneten in den letzten Sitzungstagen treffen: Ehe für alle, das Facebook-Gesetz. Viele Reden wurden noch gehalten, auch von Clemens Binninger und Richard Pitterle, den Abgeordneten des Böblinger Wahlkreises – es waren ihre letzten: Beide werden nicht mehr im neuen Parlament sitzen, das im September gewählt wird. Der CDU-Mann Binninger tritt nach 16 Jahren als Parlamentarier, in denen er als Sicherheitsexperte im medialen Rampenlicht stand, überraschend nicht mehr an. Der Linke Pitterle hat keine Chance auf einen Wiedereinzug, weil ihm seine Partei trotz seiner Verdienste bei der Aufdeckung von Steuerkungeleien einen sicheren Platz auf der Landesliste verwehrte. Beide Abgeordnete kommen direkt aus dem Plenum zum Gespräch. Binningers Abschiedsrede wurde mit donnerndem Applaus von allen Fraktionen quittiert.

 
Herr Binninger, nach diesem Beifall: Bereuen Sie Ihren Entschluss aufzuhören?
Clemens Binninger Nein. Das schmeichelt einem natürlich, und es ist ein schönes Gefühl, wenn einen die Kollegen schätzen. Aber das ändert nichts an meinem Entschluss. Wobei ich ja nicht aufhöre, weil es mir nicht mehr gefällt. Ich war und bin noch mit Leidenschaft dabei. Die Entscheidung fiel aus der Familie, meiner Ehe heraus. Meine Frau hätte als Bürgermeisterin von Nufringen im November wieder zur Wahl gestanden. Der Hauptgrund war: Wenn wir das jetzt noch mal acht Jahre machen – so lange geht die Amtszeit des Bürgermeisters – dann machen wir nichts anderes mehr in unserem Leben. Wir beide kennen ja kein anderes Leben. Wir haben uns in unseren Ämtern kennengelernt, beim Kreisfeuerwehrtag in Bondorf. Meine Frau war damals frisch gewählte Bürgermeisterin und ich im Wahlkampf. Wenn wir noch etwas anderes machen wollen, dann ist es jetzt die Zeit dafür.
Herr Pitterle, Sie sind in einer anderen Situation: Ihr Abgang ist unfreiwillig. Sind diese letzten Tage im Parlament bitter für Sie?
Richard Pitterle Ich bin enttäuscht, nicht verbittert. Als ich vor acht Jahren kandidiert habe, hatte ich ja nie damit gerechnet, tatsächlich gewählt zu werden. Ich gehörte nicht zu den Leuten, die unbedingt im Bundestag landen wollten. Dann bin ich dort gelandet und durfte zwei Legislaturperioden mitmachen. Dafür bin ich dankbar.
Sie gelten als fleißiger Politiker und gewiefter Steuerexperte. Hadern Sie mit Ihrer Partei, die Ihre Arbeit offenbar nicht schätzt?
Pitterle Ich hadere nicht mit meiner Partei, weil ich weiß, dass es nur Teile davon sind, die mich nicht mehr haben wollten. Und ich weiß auch, dass ich eine große Unterstützung habe unter den Kollegen, die sehr bedauern, dass ich den Bundestag verlasse. Und dass die beiden Fraktionsvorsitzenden es begrüßt hätten, wenn ich hätte weitermachen können.
Sie, Herr Binninger, gehen auf dem Höhepunkt Ihrer Karriere. Im Moment sind Sie ständig im Fernsehen zu sehen. Spielt bei Ihrer Entscheidung aufzuhören die Angst mit, dass Sie als Bundespolitiker eigentlich kaum noch mehr erreichen könnten?
Binninger Das spielt keine Rolle, obwohl ich verstehe, wenn manche Kollegen sagen, dass es irre schwer sei, den richtigen Zeitpunkt zu finden, den Bundestag zu verlassen. Ich habe für mich aber auch gesagt: Es ist ein Abschied aus dem Parlament, aber nicht zwingend ein Abschied aus der Politik. Wenn irgendwann mal in der Exekutive etwas auf mich zukommt, wäre ich offen. Aber mein Seelenheil hängt nicht daran.
Was hat denn Frau Merkel gesagt, als sie hörte, dass Sie aufhören?
Binninger Wir hatten gestern in der Fraktion einen schönen Abend, wo die ausscheidenden Kollegen verabschiedet wurden. Die Kanzlerin kam auch. Wir hatten noch einmal ein längeres Gespräch. Sie bedauert es, dass ich gehe, wie auch der Fraktionsvorsitzende Volker Kauder. Er sagte, ich sei zum Markenzeichen der CDU geworden. Ich glaube, ein größeres Lob kann man nicht bekommen.
Herr Pitterle, Sie hätten gerne in Berlin weitergemacht, oder?
Pitterle Ja, sehr gerne. Aber ich sage auch: Ich mache jetzt vier Jahre parlamentarische Pause – und dann ist wieder mit mir zu rechnen.
Das heißt, Sie planen bereits Ihr Comeback ?
Pitterle Ich weiß natürlich nicht, was in vier Jahren ist. Vielleicht bin ich da so glücklich mit meiner Anwaltstätigkeit, dass ich keine Lust mehr habe, erneut für den Bundestag zu kandidieren.
Was von dem, was Sie politisch erreichen wollten, können Sie nun nicht umsetzen?
Pitterle Ich hatte gehofft, mit den Linken mal aus der Opposition in die Regierung zu kommen, mitgestalten zu können.
Wollten Sie Finanzminister werden?
Pitterle Nein, auf ein Ministeramt habe ich nie spekuliert. Aber man ist ja auch als Abgeordneter einer Regierungspartei beteiligt. So wie der Kollege Binninger.