Cloud Computing in der Praxis: Jugendliche lernen online und anonym, ihre Ernährungsgewohnheiten zu ändern und abzunehmen.  

Stuttgart - Für viele Menschen ist der Begriff Cloud Computing ziemlich wolkig. Die "Wolke", von der auf der Cebit in diesem Jahr so viel die Rede ist, scheint mit ihrem Leben wenig zu tun zu haben. Dabei betreibt längst jeder Cloud Computing, der seine E-Mails direkt über einen Dienst wie GMX oder Yahoo im Netz abruft oder für seine Datensicherung einen Internetserver benutzt. Künftig sollen Cloud-Dienste eine immer größere Rolle im Alltag spielen.

 

Zum Beispiel für Jugendliche mit Gewichtsproblemen. Ihnen soll die Internetwolke helfen, ihre Ernährungsgewohnheiten zu ändern und abzunehmen. "In Deutschland sind derzeit 1,5 Millionen Jugendliche übergewichtig", stellt der in Bayreuth ansässige Kinderarzt Gerald Hofner fest. Deshalb hat Hofner das Cloud-Projekt Synx ins Leben gerufen, das den Betroffenen eine "Anleitung zum Umdenken" bieten soll. "Um Verhaltensmuster zu verändern, bedarf es eines intensiven Coachings", so Hofner. "Allen Beteiligten einen medizinischen Betreuer zur Seite zu stellen ist in der Praxis aber unmöglich."

Der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte, der hinter dem Projekt steht, setzt deshalb auf ein Medium, das ohnehin auf große Akzeptanz bei der Zielgruppe stößt - das Internet. Auf der Synx-Website finden die Jugendlichen zunächst einen Fragebogen, mit dem ihr Wissen um Ernährung und ihre Lebensgewohnheiten ermittelt wird. Anhand der Ergebnisse können sie selbst Ziele formulieren und erhalten Vorschläge, wie diese zu erreichen sind. Die Jugendlichen, die sich unter einem Pseudonym anmelden und anonym bleiben, halten ihre Fortschritte online fest. Ein Punktesystem soll die Teilnehmer motivieren, bei der Stange zu bleiben.

Das Unbehagen gegenüber neuen technischen Möglichkeiten ist groß

"Ein solches Angebot ist mit sehr hohen Kosten für die Infrastruktur verbunden", erklärt Michael Zettl von der Business Systemhaus AG, der Firma, die Synx realisiert. In den kommenden sechs Monaten befinde sich das Projekt in der Evaluationsphase und sei zunächst auf Bayern beschränkt. Doch schon Anfang kommenden Jahres soll es auf ganz Deutschland ausgeweitet werden. "Kein Mensch kann heute sagen, wie viele Jugendliche dann daran teilnehmen werden", sagt Zettl. Die anfallenden Daten können deshalb nicht bei den betreuenden Ärzten oder beim Betreiber verarbeitet, gespeichert und verwaltet werden. Das muss ein externer Partner übernehmen, in diesem Fall die Firma Microsoft, die neben ihren Servern auch die zugrundeliegende Software-Plattform bereitstellt. "Bei weit mehr als einer Million potenzieller Teilnehmer", so Zettl weiter, "kann man die dafür notwendigen Kapazitäten sonst nicht längerfristig bereitstellen - das wäre schlicht nicht finanzierbar."

"Auch von Landesregierungen betriebene Krisenportale, die im Katastrophenfall über das Internet aktuelle Informationen an die Bevölkerung ausgeben, wären anders gar nicht denkbar", sagt Christian Köth, Geschäftsbereichsleiter Gesundheitswirtschaft bei Microsoft, und beschreibt damit einen weiteren Anwendungsbereich des Cloud Computings. Denn es liegt in der Natur solcher Angebote, dass im Ernstfall plötzlich Tausende von Nutzern gleichzeitig darauf zugreifen. "Um sicherzustellen, dass die Informationen ständig zuverlässig verfügbar sind, braucht man eine starke und störungsresistente Infrastruktur, die für öffentliche Einrichtungen unbezahlbar wäre."

Auch in der Privatwirtschaft oder im Gesundheitswesen fallen im Zuge des technischen Fortschritts immer mehr Daten an. Ob es nun um Warenproduktion oder um Patientendaten geht - die immer höheren Anforderungen an die IT-Systeme gehen mit ständig steigenden Kosten einher. Doch während private Unternehmen bereits stark auf Cloud Computing zurückgreifen, hinken Krankenhäuser der Entwicklung um mindestens zehn Jahre hinterher. Neben Sicherheitsbedenken sind dafür vor allem rechtliche Hürden verantwortlich. So dürfen Information über Patienten das Klinikgelände prinzipiell nicht verlassen. "Dabei wäre es viel sicherer und ökonomischer, die Daten verschlüsselt an einen professionellen Anbieter zu senden, der sie zentral auswertet und in seinen vor Angriffen und Datenverlust sicheren Rechenzentren vorrätig hält", versichert Köth. Die IT-Netze einzelner Krankenhäuser, in denen ein meist kleines Team rund um die Uhr für Verfügbarkeit und Sicherheit sorgen müsse, seien wesentlich anfälliger für Störungen und unbefugten Zugriff.

Experten sind sicher, dass kein Weg um das Auslagern von Daten und Rechenkapazitäten herumführt. Doch das Unbehagen gegenüber den neuen technischen Möglichkeiten ist groß, vor allem dann, wenn es um sensible Projekte geht, in denen persönliche Daten übertragen und gespeichert werden. Auf dem Weg, dieses Unbehagen zu überwinden, sind Projekte wie Synx ein wichtiger Schritt.

Das Netz ist der Computer

Datenverteilung: Das Synx-Projekt des Berufsverbands der Kinder- und Jugendärzte ist ein typisches Cloud-Computing-Szenario: Ein externer Anbieter stellt für eine IT-Anwendung immer genau so viel Rechenkapazität und Speicherplatz zur Verfügung, wie benötigt wird.

Vorteile: Wer mit Daten und Rechenbedarf die Dienstleistungen einer solchen Wolke nutzt, bezahlt nur jeweils für die Leistung, die er gerade in Anspruch nimmt. Damit ist sichergestellt, dass er die Kosten jederzeit im Blick behält und die Datenleitungen auch nicht unter einem unerwarteten Ansturm zusammenbrechen.