Wer etwa eine Disko in der Stuttgarter Innenstadt eröffnen möchte, muss eine bestimmte Anzahl von Parkplätzen nachweisen. Können keine aber Neuen gebaut werden, muss man trotzdem zahlen – dann eben für nicht vorhandene Parkplätze. Gastronomen stellen das nun infrage.

Freizeit & Unterhaltung : Ingmar Volkmann (ivo)

Stuttgart - Vielleicht haben Stuttgarts Gastronomen mit ihrer neuesten Forderung ja auf einen grünen Oberbürgermeister gewartet. In seinem Wahlkampf ist Fritz Kuhn gerne werbewirksam mit der U-Bahn gefahren. Auch sonst gilt der OB nicht gerade als bester Freund des Individualverkehrs, er hätte gerne 20 Prozent weniger Autos in der Stuttgarter Innenstadt. In diesem Punkt erfährt Kuhn nun Unterstützung von ungewohnter Seite: Immer mehr Stuttgarter Gastronomen stellen – nicht ganz uneigennützig – die sogenannte Stellplatzablöse in Frage: Wer eine Gastronomie in der Stuttgarter Innenstadt eröffnen möchte, muss je nach Größe und Betriebsart eine bestimmte Anzahl von Parkplätzen nachweisen. Ist es faktisch nicht möglich, neue Stellplätze zu erschaffen – was in der Innenstadt fast immer der Fall ist –, kann ein Gastronom Parkplätze bei der Stadt ablösen. In dem Fall zahlt er Geld für nicht vorhandenen Parkplätze.

 

„Die Zahl der notwendigen Stellplätze wird nach der ,Verwaltungsvorschrift Stellplätze’ ermittelt“, erklärt Monika Spiegel von der Pressestelle der Stadt: „Für normale Gaststätten ist ein Stellplatz je sechs bis zwölf Quadratmeter Gastraum erforderlich.“ Das Baurechtsamt rechne normalerweise mit dem Mittelwert ein Stellplatz pro neun Quadratmeter. Für künftige Diskotheken müssten mehr Parkplätze abgelöst werden. Hier veranschlage das Baurechtsamt einen Stellplatz für sechs Quadratmeter Gastfläche.

13.000 Euro für einen Parkplatz in der City

Die Betreiber klassischer Gaststätten haben zudem den Vorteil, dass ihr Parkplatzablöse-Bedarf noch mit einem Faktor multipliziert wird, der sich anhand der ÖPNV-Versorgung ermittelt. „In der City braucht man an vielen Stellen nur 30 Prozent der Stellplätze nachzuweisen, da die ÖPNV-Versorgung sehr gut ist. Bei Diskotheken gibt es diese Minderung allerdings nicht“, sagt Monika Spiegel. Ein Parkplatz im Citybereich kostet knapp 13 000 Euro. In den restlichen Bereichen des inneren Stadtgebietes kostet der abzulösende Stellplatz 9000 Euro, in den übrigen Stadtgebieten 5600 Euro.

Dieses Geld würde sich mancher Gastronom gerne sparen und appelliert dabei an die Adresse von Kuhn: „Die Stadtväter sprechen von Verkehrsberuhigung in der Innenstadt, von der Reduzierung des Individualverkehrs und der Parkplätze. Paradoxerweise sollen wir als Clubbetreiber nun aber 23 Parkplätze für 300 000 Euro ablösen, da wir laut einer nicht mehr zeitgemäßen Stellplatzverordnung dazu verpflichtet sind“, sagt Axel Steinbeck vom Club Schräglage. Die Schräglage in der Stuttgarter Innenstadt firmiert bisher wie viele Stuttgarter Bars in einer rechtlichen Grauzone: Die Gastronomie ist nicht als Diskothek konzessioniert, das Publikum darf hier also eigentlich nicht tanzen, weshalb die Schräglage immer wieder Ärger mit den Ordnungskräften hatte. Nun soll der Betrieb legalisiert werden, die Betreiber stellen aber das System der Ablöse in Frage. „Heutzutage kommt doch kein Gast mehr mit dem Auto. Unsere Gäste reisen allesamt mit Bus und Bahn an“, sagt Axel Steinbeck. „Wenn man also wirklich eine Verkehrsberuhigung in der Innenstadt erreichen möchte, sollte man das System der Stellplatzablöse verändern: Wir würden lieber jedem Gast, der mit einem gültigen VVS-Ticket zu uns in die Schräglage kommt, vergünstigten Eintritt gewähren.“

Zwangssteuer für die Stadt

Andere Gastronomen sehen das System ebenfalls kritisch. „Statt der Zwangssteuer für die Stadt würden viele Kollegen lieber den Nahverkehr durch eine wie auch immer geartete Umlage bezuschussen“, sagt ein Stuttgarter Gastronom, der derzeit ebenfalls über eine Stellplatzablöse verhandelt und daher namentlich nicht genannt werden möchte.

Bei der Stadt Stuttgart stößt die Reformierung der Stellplatzablöse auf wenig Interesse. Die Stadt hat in den Jahren 2010 bis 2012 im Schnitt jährlich 900 000 Euro durch die Parkplatzablöse eingenommen.