Drei Tage lang steht Karlsruhe im Zeichen eines Veranstaltungsexperiments rund um das Thema Innovation. Auf dem erstmals veranstalteten Code_n New.New.Festival werden Zukunftstechnologien aus den Bereichen Finanzen, Gesundheitswesen, Mobilität und Photonik vorgestellt.

Stadtentwicklung & Infrastruktur: Andreas Geldner (age)

Stuttgart - Drei Tage lang steht Karlsruhe im Zeichen eines Veranstaltungs-Experiments rund um das Thema Innovation. Auf dem erstmals veranstalteten Code_n New.New.Festival werden Zukunftstechnologien aus den Bereichen Finanzen, Gesundheitswesen, Mobilität und Photonik, also auf Licht fußenden Technologien, vorgestellt. Benannt ist es nach dem seit 2011 bestehenden, internationalen Start-up-Wettbewerb des Stuttgarter IT-Dienstleisters GFT. Es geht um die Frage, wie nicht nur Start-ups, sondern auch etablierte Unternehmen sich dem immer rasanteren technologischen Wandel stellen können.

 

Ziel ist es, mit dem in Baden-Württemberg und Deutschland bisher noch nicht erprobten Veranstaltungsformat, den Rahmen einer Technologiemesse zu sprengen und dem Standort Baden-Württemberg überregional ein progressiveres und jüngeres Image zu verschaffen. Auch das Zentrum für Kunst und Medien (ZKM) als Veranstaltungsort soll die üblichen Grenzen zwischen Wirtschaft, Kunst und gesellschaftlicher Debatte auflösen. „Für das Innovationsfestival ist es ein idealer Ort, weil wir selbst ein Symbol der digitalen Kunst im engeren und der digitalen Welt im weiteren Sinne sind“, sagt ZKM-Chef Peter Weibel. „Wir wollen ein internationales Event – und nicht nur, dass Landtagsabgeordnete miteinander diskutieren“, sagt GFT-Chef und Initiator Ulrich Dietz etwa zur Tatsache, dass die Veranstaltungen fast vollständig auf Englisch stattfinden: „Es soll eine Innovationsveranstaltung sein und keine Messe, auf der man etwas verkauft.“

Das Festival soll Innovation zum Anfassen präsentieren

Neben den mehr als 100 Einzelveranstaltungen sollen für die Besucher Innovation auch konkret erlebbar sein – so können sie beispielsweise im 3D-Druck Selbstporträts erstellen. „In Deutschland lesen die Leute immer nur vom digitalen Geld – wir wollen zeigen, was in der Finanzindustrie ganz konkret passiert“, sagt Dietz. Mehrere Bühnen sind für die mehr als 50 Start-ups reserviert, die um die 30 000 Euro Preigeld des Wettbewerbs konkurrieren. Auf einem sogenannten Hackathon werden sich 50 Programmierer binnen 24 Stunden ein Wettrennen um innovative Ideen zu den Technologiethemen des Festivals liefern. Über Workshops wird das Publikum direkt einbezogen. Zudem gibt es im Zentrum für Kunst und Medien ZKM und an anderen Veranstaltungsorten auch avantgardistische Medienkunst, Team-Spiele für die Besucher, Konzerte und Partys.

Für die Veranstaltung konnte zum Auftakt der baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann als Hauptredner gewonnen werden. Am Dienstagabend spricht er unter dem Titel „Digital@BW – Gesellschaft und Wirtschaft 4.0“ über den Modernisierungsbedarf im Land. Google stellt in Karlsruhe seine neuesten Technologien rund um das Thema virtuelle Realität vor und veranstaltet einen Workshop, der besonders schnelle Wege zur Produktentwicklung aufzeigt. In Karlsruhe tritt unter anderem der Geschäftsführer des futuristischen, vom Tesla-Gründer Elon Musk propagierten Transportsytems Hyperloop auf, das elektrisch betriebene Transportkapseln im Jettempo durch Vakuumröhren jagen will. Der ehemalige Chef des Bundesnachrichtendienstes, August Hanning, spricht über Cybersicherheit. Weitere Redner beschäftigen sich mit dem Thema Bio-Hacking, also der technologischen Beeinflussung von biologischen Prozessen und Technologie oder mit der Veränderung der Realitätswahrnehmung im digitalen Zeitalter. Als Schirmherrin des Festivals fungiert die Bundesforschungsministerin Johanna Wanka.

Wie weit reicht die internationale Strahlkraft von Karlsruhe?

Die Veranstalter zu denen neben GFT auch der Maschinenbauer Trumpf, der Energiekonzern EnBW, die IT-Firma Hewlett-Packard und das Beratungsunternehmen Accenture gehören, gehen mit dem Konzept ein Risiko ein, weil sie auch ein Publikum jenseits der typischen Fachbesucher ansprechen wollen. Bis zum vergangenen Jahr hat der Code_n-Start-up Wettbewerb auf der Hannoveraner IT-Messe Cebit stattgefunden und dort rund 70 000 Besucher angezogen. Er hat sich damit als einer der wichtigsten deutschen Innovationswettbewerbe etabliert. Die Erwartungen zum Start in Baden-Württemberg sind zunächst bescheidener. Im Vorverkauf wurden knapp 3000 Tickets abgesetzt. Offiziell wurde bisher keine Messlatte für die Besucherzahl genannt. Die Besucher müssen für ein Tagesticket zwischen 40 Euro (Studenten) und 350 Euro (Firmenbesucher) investieren.

Offen ist deshalb, wie überregional und international attraktiv der Veranstaltungsort Karlsruhe tatsächlich ist. „Beim ersten Mal muss man sich erst einmal auf die Inhalte konzentrieren“, sagt Dietz angesichts der für ein unerprobtes Event ambitioniert wirkenden Ziele. Auch andere Festivals aus dem Technologiebereich hätten Zeit zum Wachsen gebraucht: „Bei Code_n haben wir einmal mit ein paar Tausend Besuchern angefangen.“ Wann und ob es eine Fortsetzung geben wird, hängt deshalb vom Verlauf der kommenden drei Tage ab. Dass innerhalb Baden-Württembergs der IT-Standort Karlsruhe und nicht Stuttgart zum Zug gekommen sei, habe einerseits mit der passenden Infrastruktur vor allem am Veranstaltungsort ZKM zu tun gehabt, aber vor allem mit dem intensiven Einsatz der Stadt. Sie hält beispielsweise an mehreren Tagen eigens ihre Schlosslichtfestpiele ab oder offeriert für die Besucher Gratis-Fahrten im Nahverkehr. „Ich würde mir wünschen, dass Stuttgart ein ähnliches Interesse und Engagement aufgebracht hätte“, so Dietz.