Er war ein Comicstar in den sechziger Jahre. Nun bringt der Ehapa-Verlag die Geschichten des ewigen Pechvogels Cäsar neu auf den Markt.

Stuttgart - Das muss ein Mensch erst mal aushalten: nichts als Niederlagen und Niedertracht. Cäsar, der Held des gleichnamigen Comicklassikers, siegt in seinen meist acht Bilder umfassenden Alltagsgeschichten so gut wie nie. Am Ende verpasst ihm sein Nachbar, der Polizist, einen Strafzettel, ein blaues Auge oder einen herablassenden Ratschlag. Oder die tyrannische kleine Effi, Knöllchens Tochter, setzt sich mit Intriganz, Gebrüll und Korkenzieherlogik gegen Cäsar durch. Oder die faule, schnippische Putzfrau Felicitas treibt ihren Arbeitgeber zur Weißglut.

 

Trotzdem steht Cäsar zu Beginn jedes neuen Strips wieder freundlich, aufgeräumt und hoffnungsvoll vor uns. Den jetzt von Ehapa in einer formidablen Gesamtausgabe präsentierten „Cäsar“ möchte man schon allein dieser Eigenschaft wegen jedermann ans Herz legen: des festen Glaubens wegen, man käme ohne Ausbildung von Menschenfeindlichkeit durch die täglichen Begegnungen mit anderen.

Das Entstehen von „Cäsar“ ist so wunderlich wie die seelischen Erholungskräfte des Titelhelden. Denn der Zeichner und Texter Maurice Tillieux , Jahrgang 1921, war Ende der fünfziger Jahre mit anderem als kleinen Gags beschäftigt. Er schrieb die heute zu den franko-belgischen Comicklassikern zählende Detektivserie „Jeff Jordan“. Eher pflichtschuldig scheint Tillieux der Bitte seines Verlegers um etwas Kurzes, Lustiges für das Magazin „Le Moustique“ nachgekommen zu sein. Er reaktivierte schlicht eine Figur, die er für Gelegenheits- und Verlegenheitsarbeiten hin und wieder genutzt hatte. Die Gesamtausgabe von „Cäsar“ präsentiert auch diese Vorformen der Figur. Da lernt man dann, dass manchmal auch der Erfinder selbst zunächst nichts anzufangen weiß mit einer Erfindung.

Für die Nervensäge Effi stand die Tochter Modell

Kaum aber hatte Tillieux mit der regelmäßigen Arbeit an „Cäsar“ begonnen, wurde er warm mit der Figur. Er hatte ihr – möglicherweise wieder nur aus Verlegenheit und Bequemlichkeit – den eigenen Beruf gegeben. Und griff aus arbeitsökonomischen Gründen aufs eigene Leben zurück. Für die Nervensäge Effi stand seine eigene Tochter Modell, für Schutzmann Knöllchen ein Nachbar, für Felicitas die Putzfrau seiner Großmutter. Aus der rein praktischen Sicherstellung von Inspirationsquellen erwuchs dann ein komplexeres Verhältnis. Ohne in Details seines Arbeitslebens gehen zu müssen, konnte Tillieux im ewig unterliegenden Cäsar nun all seine Frustrationen als Künstler, Vater, Staatsbürger und Heimwerker formulieren. Immer wieder ließ Tillieux den freundlichen Cäsar umkippen, vermutlich, um selbst fester auf dem Stuhl bleiben zu können.

In den vor wenigen Hintergründen spielenden Bildern herrscht energische Bewegtheit auch dann, wenn das Stehaufmännchen Cäsar gerade mal keinen Stromschlag erleidet. Das Gehen, das Autofahren, das Gestikulieren mit der Pfeife kann Tillieux mit minimalem Aufwand zur großen Wirkung bringen.

Neben der Dynamik ist Cäsars Haus, für das Tillieuxs Zuhause Anregungen lieferte, eine der zunächst unauffälligen Attraktionen des Strips. Die Mischung aus gutbürgerlich Konventionellem und zarten modernen Linien ist so bezwingend wie der aus forscher Eleganz und molliger Behaglichkeit gemischte Kleidungsstil der Passanten. „Cäsar“ ist ein Stilbuch voller Retroschick, ein Cocktail der Gegensätze.

1966 war Schluss mit der Serie

Aufgehört hat Tillieux mit „Cäsar“ im Juni 1966, nach dem 299. Gag. Seine Tochter sei der Figur der Effi entwachsen gewesen, hat er als Begründung genannt, und so konnte er wieder auf jene autobiografischen Züge verweisen, die das Schicksal dann fatal-makaber unterstreichen sollte. Immer wieder kracht Cäsar mit seinem Auto, einem Oldtimer, in Hindernisse, zerlegt das Fahrzeug auch mal in Einzelteile. Maurice Tillieux ist am 31. Januar 1978 bei einem Autounfall ums Leben gekommen.

Maurice Tillieux: Cäsar. Ehapa Comic Collection, Köln. 338 Seiten, 39,90 Euro.